Tödliches Abseits (German Edition)
nickte der Mediziner den Männern zu. »Weg mit ihm.«
Wolken von Fruchtfliegen stiegen auf und umkreisten die Zuschauer, als die Leiche endlich in die Wanne gelegt wurde.
Der Arzt drehte sich zu den Polizisten um und hielt ihnen die Beutel mit sich windenden, weißen fetten Würmern unter die Nase. »Maden«, sagte er. »Viele kleine Maden. Mit ihrer Hilfe lässt sich der Todeszeitpunkt auf die Stunde genau bestimmen.«
Der Arzt klopfte leicht mit dem Zeigefinger gegen die Tüte. Einige Maden lösten sich von der Innenwand und fielen auf den Tütenboden.
Einem jungen Polizeibeamten, der mit wachsendem Entsetzen der Prozedur zugesehen hatte, gab das den Rest. Weiß wie ein Kalkeimer begann er zu würgen und ließ sich sein halb verdautes Mittagessen noch einmal durch den Kopf gehen.
»Ts, ts«, kommentierte der Arzt kopfschüttelnd die Szene. »Und so was geht zur Polizei.«
14
Cengiz Kayas Tiefschlafphase wurde jäh durch das rhythmische Gekreische seiner Türklingel unterbrochen. Schlaftrunken schleppte er sich zu seiner Wohnungstür und drückte den Öffner. Der Türke hörte erst das Summen, dann das Schlagen der Eingangstür und schließlich hastige Schritte auf der Treppe, die vor seiner Wohnung Halt machten. Jemand schlug mehrmals heftig mit der Faust gegen die Tür.
»Cengiz, mach schon auf. Ich bin’s. Rainer.«
Mit einem Seufzen öffnete Cengiz. »Rainer, was willst du hier? Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
»Natürlich. Halb zehn.« Rainer schob seinen Freund bei-seite und betrat dessen Wohnung. »Hast du ’nen Kaffee?«
»Rainer, ich muss schlafen. Ich bin hundemüde.«
»Schlafen? Um die Zeit? Du?«
»Ja, ich. Das mache ich nach einer Nachtschicht normalerweise immer so. Das heißt, wenn ich nicht von irgendeinem Dynamofix daran gehindert werde.«
»Nachtschicht? Die ist doch schon seit Stunden vorbei«, stellte Rainer gelassen fest.
»Stimmt. Seit sechs Uhr, um genau zu sein. Und seit sieben bin ich zu Hause. Das heißt, seit etwas mehr als zwei Stunden. Und jetzt sei so gut«, Cengiz gähnte herzhaft, »erzähl mir ganz schnell, warum du mich aus dem Bett schmeißt, und verschwinde dann noch schneller, ja?«
»Was heißt verschwinden? Ich bin doch gerade erst gekommen. Behandelt man so seinen besten Freund?«
»Genau so.« Mehr fiel Cengiz zu diesem Thema nicht ein.
»Sehe ich anders. Jetzt pass auf: Du gehst duschen und ich mache uns einen Kaffee und dann erzähle ich dir alles.«
»Einen Scheiß wirst du. Du hast deine Chance gehabt.« Kaya machte die Tür auf. »Raus, du Geißel der Menschheit. Ich brauche meinen Schlaf.«
»Jetzt mach aber halb lang, Cengiz. Ich brauche deine Hilfe.«
»O nein, das kenne ich.« Cengiz hob abwehrend die Hände. »Wenn du um Hilfe bittest, beeinträchtigt das entweder meine körperliche Unversehrtheit oder meine finanziellen Ressourcen. Und ob du es glaubst oder nicht: Beides passt mir momentan überhaupt nicht in den Kram. Also vergiss es.«
Rainer schüttelte seinen Freund an den Schultern. »Cengiz, das ist meine Chance. Bitte, hilf mir. Ich schaffe es echt nicht ohne dich. Hör es dir doch wenigstens an«, bettelte Rainer.
»Na gut. Ist eh egal. Seit zwei Minuten bin ich wach. Jedenfalls fast. Du machst dir in der Küche einen Kaffee und ich setze mich still an den Tisch daneben und höre dir zu. Dann gehst du wieder, wohin du willst, und ich ins Bett, okay?«
Cengiz stiefelte in die Küche und machte es sich am Küchentisch bequem, während sein Freund mit Kaffeemaschine, Filterpapier und Kaffeemehl hantierte.
»Hast du auch zufällig ein Brötchen und etwas Käse da?«, fragte Esch vorsichtig.
»Rainer, übertreibe es nicht«, drohte sein Freund. »Jetzt leg schon los.«
»Also«, Rainer sah Cengiz triumphierend an. »Ich habe vor einigen Tagen meine erste Pflichtverteidigung bekommen. Was sagst du nun?« Erwartungsvoll blickte Rainer auf den Bergmann.
Der gähnte erneut und erwiderte: »Na und?«
»Wie, ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
»Ja.«
»Hast du mich nicht verstanden? Meine erste Pflichtverteidigung. Das ist der Durchbruch!«
»Freut mich für dich. Herzlichen Glückwunsch.« Cengiz gähnte zum dritten Mal und machte Anstalten, sich zu erheben.
»Moment. Wo willst du hin?«, fragte Rainer.
»Wohin schon? Ins Bett natürlich. Du kannst auf der Couch im Wohnzimmer ...«
»Ich bin nicht müde.«
»Nein?«, wunderte sich Cengiz. »Ich aber.«
»Ich vertrete einen Mordverdächtigen.«
Jetzt war
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