Tödliches Experiment: Thriller (German Edition)
den kleinen Burschen hier anschaue, kommt mir das alles irgendwie absurd vor.“ Sie kraulte das Kalb hinter den Ohren und fügte hinzu: „Mein Vater wollte immer eine Milchwirtschafthaben. Er hasste Hühner. Aber er konnte nie genug Geld für was Anderes aufbringen.“
Aus unerklärlichen Gründen begann sie zu weinen. „Entschuldige, Michael. Vielleicht sollten wir lieber wieder fahren.“
Er führte sie zum Auto zurück und sie fuhren in Richtung Washington. Sie waren still, sprachen kaum. Susan war verlegen. Sie hatte das Gefühl, den Abend verdorben zu haben. Von Zeit zu Zeit sah sie Michael von der Seite an. Jede Frau musste sich geschmeichelt fühlen, die mit ihm ausging. Mehr denn je wurde ihr seine starke sexuelle Ausstrahlung bewusst – etwas, das sie beinahe vergessen hatte. John war ein Denker und Träumer gewesen. In ihrem gemeinsamen Leben hatte es Anziehung eher auf dem geistigen Sektor gegeben, in dem sie beide so vollständig zu Hause gewesen waren. Johns brillanter Verstand und exzentrischer Charme hatten irgendwie wettgemacht, dass er nur selten körperlicher Leidenschaft nachgab.
Plötzlich sagte sie: „Das war wohl eine tolles Date mit mir, nicht wahr?“
„Alles in Ordnung.“
Er berührte ihren Nacken und legte ihr die Hand auf die Schulter. Es war elektrisierend, sie spürte ihn am ganzen Körper.
Sie kamen nach Washington und wieder fühlte sie sich so wunderbar losgelöst wie beim ersten Mal, als er sie nach Hause gebracht hatte, wieder schuf der sanfte Lichtschimmer des Armaturenbrettes eine eigene Welt, eine Welt nur für sie beide. Sie nahm überhaupt nichts Anderes mehr wahr, bis sie anhielten. Sie befanden sich in einer unbekannten Straße vor einem unbekannten Gebäude.
„Hier wohne ich“, sagte er. „Komm mit rauf auf einen Drink.“
Susans Herz schlug höher. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte elf. „Musst du morgen nicht operieren?“
„Das mache ich mit geschlossenen Augen.“
Er stieg schnell aus und ging zur Eingangstür. Susan folgte ihm zögernd. Das bedeutete Sex, dachte sie. Will ich das? Mit Michael?
Noch während sie es dachte, wusste sie bereits, dass sie es wollte. Seit Wochen gewollt hatte – seitdem sie aufgehört hatte, sich als Witwe zu fühlen, und auch gewusst hatte, dass es unvermeidlich dazu kommen würde. Als Michael die Tür öffnete und sie eintreten ließ, strich seine Hand warm über ihren nackten Rücken und sie spürte, wie sie in Erwartung des Kommenden zitterte.
Seine Wohnung im obersten Geschoss des vierstöckigen Gebäudes war ein sehr großes Atelier mit Oberlichtern und riesigen Glasschiebetüren, die sich vor einer bepflanzten Terrasse öffneten. Von dort führte eine schmiedeeiserne Wendeltreppe zu einem Dachgarten. Michael goss eisgekühlten Weißwein in zwei Gläser und sie gingen damit hinaus und nahmen auf einem Sofa Platz. Susan zog die Beine an. Der weite Rückenausschnitt ihres Kleides und das tiefe Dekolletee gaben ihr plötzlich das Gefühl, völlig nackt zu sein.
Er sagte leise: „Seit Wochen machst du mich total verrückt, weißt Du das?“
Sie unternahm einen halbherzigen Versuch auszuweichen.
„Michael, wir sollten das nicht tun.“
„Wegen John?“
„Nein. Nicht wegen John.“ Aber stimmte das? Fürchtete sie sich davor, plötzlich mittendrin an ihn zu denkenund die Nerven zu verlieren? Sie glaubte es eigentlich nicht, aber im Moment war sie nicht ganz sicher.
„Du wolltest vielleicht sagen: wegen der Arbeit?“
Sie zögerte. Und konnte es sich nicht verkneifen, ein wenig zu flirten. „Eigentlich nicht. Ich dachte eher an sie.“
Er sah überrascht aus. „An wen?“
„Weiß ich nicht. Es muss doch jemanden in deinem Leben geben. Ich glaube dir nicht, wenn du es abstreitest.“
Er zuckte die Schultern. „So ab und zu, natürlich.“
„Wenigstens bist du ehrlich. Ist sie nett?“
„Ja, wir sind gute Freunde.“
„Aber du bist nicht in sie verliebt?“
„Nein.“
„Liebt sie dich?“
„Ich weiß nicht. Sie hat es nie gesagt. Ich hoffe nicht.“ „Wenn es nur um Sex geht, warum gibt es dann nur die eine?“
Er lächelte. „Ich habe zu viel zu tun. Eine komplizierte Geschichte kann ich nicht gebrauchen. Und ich habe auch keinen Paschakomplex.“
Susan studierte sein Gesicht, dann stellte sie ihr Glas ab. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und ihr Mund war ausgetrocknet. Sie konnte ihre eigene Stimme kaum hören. Sie sagte: „Soll ich dir was sagen?“
„Was?“
„Zum Teufel mit
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