Tödliches Experiment: Thriller (German Edition)
das sie auf sich nehmen musste. Mehr konnte sie nicht verlangen.
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Autopsieräume sind meist kalt und trostlos. Der des Borg-Harrison-Labors machte hier keine besondere Ausnahme.
Es war ein kleiner, niedriger Raum mit greller Deckenbeleuchtung; die Temperatur wurde konstant auf zehn Grad Celsius gehalten. In eine Wand eingelassen war eine Kühlanlage mit einem Dutzend Abteilen, in denen verstorbene Patienten ihrer Obduktion harrten. In mehreren Fächern eines hohen Schrankes standen Glasbehälter, in denen verschiedene Proben von Gehirnsubstanz aufbewahrt wurden. Es gab einen Tisch aus rostfreiem Stahl mit Abflussvorrichtungen sowie die üblichen Instrumentenkoffer und Schubladen mit allem notwendigen Inventar, einschließlich elektrischer Sägen und Bohrer.
In einem Nebenzimmer standen auf der Resopalplatte eines Arbeitstisches mehrere leistungsstarke Mikroskope, darunter auch ein kompliziertes Elektronenmikroskop, das um das Mehrfache von hunderttausend vergrößerte. Hier befanden sich auch spezielle Ablagefächer für gläserne Objektträger mit Proben von Gewebe, Blut und anderen Substanzen, die gerade untersucht wurden.
Es war Samstagnachmittag, schon fast halb sechs. Für kaum jemanden im Labor endete die Woche am Freitag und Toni Soong bildete keine Ausnahme. Sie war seit einiger Zeit dabei, die linke Schläfenregion eines weiblichen Gehirns zu sezieren und einzelne Abschnitte für künftige Untersuchungen zu katalogisieren, als sie merkte, dass jemand in der Tür stand und sie beobachtete.
Sie blickte auf. Es war Sara.
„Hi.“
„Hallo.“
Die Pflegerin kam herein und trat nahe an den Seziertisch. Toni gab sich Mühe, sich von Saras blonder Schönheit und jugendlicher Figur, die auch in der gestärkten weißen Kleidung auffielen, nicht ablenken zu lassen – und auch nicht von Gedanken an den kommenden Abend, an dem sie beide, wie Frauen gekleidet und nicht in der geschlechtslosen klinischen Tracht, in Tonis Wohnung zu Abend essen und danach Cognac und Kaffee trinken würden, als Auftakt zu gemeinsamen, beglückenden Stunden. Henry Palmer hatte Wochenenddienst. In wenigen Minuten würde sie frei sein bis sechs Uhr früh am Montag; für acht Uhr war eine Operation angesetzt.
Sie sagte sachlich: „Ich bin gleich fertig. Du solltest eigentlich nicht hier sein.“ Und verspürte Gewissensbisse, als Sara sofort gekränkt aussah. „Entschuldige“, sagte Sara. „Ich wollte dir nur sagen, dass ich heute Abend vielleicht ein paar Minuten später kommen werde. Aber ich werde mich bemühen pünktlich zu sein.“
Tonis Schuldgefühle verstärkten sich. Warum, zum Teufel, war dieses Mädchen so unsicher? Sie sagte ihr, dass es nichts ausmachte, sah ihr beim Verlassen des Raumes nach und fing dann an, aufzuräumen. Dann klingelte das Telefon.
„Sektionssaal, Dr. Soong.“
Es war Susan McCullough. „Toni, entschuldige, dass ich so spät anrufe, aber könntest du einen Augenblick hier vorbeikommen, bevor du heimgehst?“
„Was gibt es denn, Susan?“
Sie wusste jedoch sehr gut, was es gab, und hoffte, dass man ihr den Unmut nicht bemerken würde. Obwohl Susan bereits seit einem Monat hier arbeitete, hatte sie noch immer keinen Zutritt zu den Experimentalgehirnen und sie brauchte Hilfe bei den Elektroden.
Es handelte sich zum einen Teil um Tiefenelektroden, die zur Stimulierung des Gehirns verwendet wurden. Oft wurden sie tief im Inneren des Gehirns implantiert; Ströme von mehreren Milliampere wurden durchgeleitet, die die Gehirntätigkeit beeinflussten. Zur Implantation der Elektroden mussten zuerst Öffnungen in den Schädel geschnitten werden und dann mussten Toni oder Michael eine komplizierte neurologische Operation durchführen.
Etwas ganz Anderes waren die Kopfhautelektroden, mit denen Susan gewöhnlich zu tun hatte. Sie dienten dazu, Gehirnströme aufzuzeichnen und als Elektroenzephalogramm weiterzuleiten. Die Elektroden wurden einfach auf die Haare an die Kopfhaut geklebt, und zwar mit einem speziellen Klebstoff, sodass sie sich später wieder leicht entfernen ließen. Jeder Student hätte das schon im ersten Semester fertiggebracht. Toni hatte sowohl Michael als auch Katherine – ohne Erfolg – zu überreden versucht, Susans Geheimhaltungsstatus zu ändern und ihr eine Ausweiskarte ausstellen zu lassen, die ihr wenigstens zu dem EG Zutritt verschaffte, mit dem sie gerade experimentierte.
Sie hörte Susan sagen: „Toni, es betrifft das EG namens Helen. Ich habe aufgezeichnet, wo ich
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