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Tödliches Farbenspiel

Tödliches Farbenspiel

Titel: Tödliches Farbenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Sie schon so früh?« fragte ich. Es war noch nicht einmal
fünf, und die Ausstellung war bis neun Uhr abends geöffnet.
    »David ist inzwischen gekommen, und Larry
ist auch noch da. Für mehr als zwei Leute ist der Stand zu eng.« Sein rundes
Gesicht nahm einen etwas kummervollen Ausdruck an. »Außerdem geht’s mir,
ehrlich gesagt, nicht allzugut. Der Mord...«
    »Sind Sie mit dem Auto da? Sonst kann
ich Sie mitnehmen.« Er wurde eine Spur munterer. »Danke, das wäre nett. Die
Busse in unserem Viertel — also, man wagt kaum, sie zu benützen. Dauernd muß
man Angst haben, von diesen jugendlichen Gangstern überfallen zu werden...«
    Ich merkte schon, daß Collins eine
Neigung hatte, seine Sätze unvollendet zu lassen; als bekäme er während des
Sprechens Zweifel am Wert dessen, was er sagen sollte. Schweigend gingen wir zu
meinem Wagen, und ich wartete, bis er sich, rundlich wie er war, in das kleine
Auto gezwängt hatte. »Wenn das so ein schlimmes Viertel ist«, bemerkte ich, als
ich losfuhr, »warum bleiben Sie dann dort?«
    »Es ist Davids Zuhause.«
    »Ja, aber wenn Sie zusammen wohnen,
müßten Sie doch über den Wohnort auch mitreden können.«
    Er machte ein verdutztes Gesicht, als
wäre ihm dieser Gedanke nie gekommen.
    »Ach ja, wenn ich darauf bestünde,
ginge das sicher. Aber es ist einfacher, wenn ich mich nach David richte, da es
für ihn so wichtig ist.«
    »Und warum ist es ihm so wichtig?«
    »Er hängt an dem alten Haus.«
    »Sie meinen die Queen-Anne-Villa an der
Ecke.«
    »Ja, das Haus, wo...« Er starrte zum
Fenster hinaus.
    »Hat er vor, dort zu wohnen, wenn es
restauriert ist?«
    »Er hatte es vor, ja. Aber jetzt...«
Collins griff in seine Jackentasche und zog ein Tablettenfläschchen heraus. Er
schüttelte zwei gelbe Tabletten in seine Hand und schluckte sie. »Valium« — ,
erläuterte er. »Gegen Halswirbelverspannungen, aber heute brauch ich sie noch
für etwas anderes.« Ich nickte verständnisvoll.
    »Ich weiß nicht, was David jetzt mit
dem Haus vorhat«, fuhr Collins fort. »Ich konnte diese Besessenheit — ich sag
das nicht gern, aber es grenzt wirklich daran — also, ich konnte diese
Besessenheit nie verstehen. Natürlich haben so alte Häuser ihren Reiz, aber — da,
wo ich herkomme, aus Dayton in Ohio, gibt’s auch große alte Villen, aber da
macht kein Mensch so ein Getue.«
    Dayton, Ohio. Paul Collins gehörte also
zu dem Heer Homosexueller, die aus dem Mittleren Westen geflohen waren, weil
sie hofften, in San Francisco die Freiheit zu finden und akzeptiert zu werden.
Ich warf ihm einen Blick zu, wie er da neben mir saß, die Arme um die Knie
geschlungen, den Blick starr geradeaus gerichtet. Wenn man über Verspannungen
im Nackenbereich klagte, bekam man leicht ein Rezept für Tranquilizer, aber ich
wäre jede Wette eingegangen, daß mit Collins’ Nacken alles in bester Ordnung
war. Er nahm wahrscheinlich Valium, weil er mit seiner Homosexualität immer
noch nicht zurechtkam. Kein Wunder, wenn man aus Dayton, Ohio, stammte.
    Ich konnte seine Unsicherheit gut
verstehen. Ich brauchte mir ja nur meine eigene Geschichte vor Augen zu halten.
Hätte sich die hochnäsige Klassenbeste aus dem erzkonservativen San Diego
träumen lassen, daß sie als Erwachsene jene Leute, die sie damals ›Homos‹
genannt hatte, nicht nur tolerieren, sondern einige von ihnen sogar zu ihren
Freunden zählen würde? Und doch befiel mich, um ehrlich zu sein, selbst heute
noch ein gewisses Unbehagen, wenn sich Gespräche mit diesen Freunden den
Details ihres besonderen Lebensstils zuwandten. Neun Jahre in San Francisco
hatten mich verändert, doch zwanzig in San Diego hatten unauslöschliche Spuren
hinterlassen.
    Vor der Häuserzeile in der Steiner
Street hielt ich an. Collins hielt immer noch seine Knie umfangen. Er sah mich
an und sagte ernsthaft: »Die Häuser sind wirklich hübsch. Ich verstehe nur
diese Besessenheit nicht...«
    Mir ging es ähnlich. Der Charme der
alten Häuser ließ mich nicht gleichgültig, aber ich zog die klaren, glatten
Linien zeitgenössischer Architektur vor. So bin ich nun mal: Warum den Zug
nehmen, wenn man fliegen kann?
    Zu Collins sagte ich: »Man ist nicht
verpflichtet, die Vorlieben anderer zu teilen.«
    Er lächelte über diese Worte der
Unterstützung.
    »Nein, wahrscheinlich nicht. Möchten
Sie auf eine Tasse Tee mitkommen? Ich habe frische Brötchen von der Bäckerei in
der Union Street da.«
    Der Vorschlag paßte mir; er kam der
Schottin in mir und meinem

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