Tödliches Farbenspiel
in Richtung
Alcatraz. Wir gingen langsam. Die Sonne lag warm auf meinen Schultern, und Gerüche
nach Salzwasser und Kreosot stiegen mir in die Nase. Prinz Albert ging
schweigend neben mir bis zum Ende des Piers, wo die Fischer mit ausgeworfenen
Leinen standen. Sie hatten ihre Jacken über die Pfosten gehängt und lehnten
reglos am Geländer, zeitlose Gestalten, die mit dem organisierten Chaos im
Inneren des Gebäudes nichts zu tun hatten. Als wir um die Ecke bogen und auf
die Schattenseite gelangten, wo der Wind erbarmungslos blies, sagte Prinz
Albert endlich: »Warum glauben Sie, daß die Fassung zu einer Lampe gehörte?«
»Weil eine kaputte Glühbirne darin saß,
die ich sicherheitshalber herausgeschraubt habe.«
Er nickte. »Wahrscheinlich von einer
älteren Lampe — der Form nach würde ich sagen, spätes neunzehntes Jahrhundert.«
»Aber sie ist doch relativ modern?«
»Ja.« Er stützte die Ellbogen auf das
Geländer und starrte ins grüne Wasser. Ich stellte mich neben ihn. Links
tuckerte ein Ausflugsdampfer voller vermummter Touristen zum Hafen zurück.
»Das Ding stammt also nicht von einer
Ihrer Lampen?« hakte ich nochmals nach.
»Ich sagte Ihnen doch schon — nein.«
»Und Sie haben keine Ahnung, von
welchem Hersteller es sein könnte?«
»Es ist ziemlich alltäglich. Könnte
praktisch von jedem sein.« Einen Moment schwiegen wir und lauschten dem sachten
Plätschern der Wellen.
»Was hat dieses Stück Metall mit Jakes
Ermordung zu tun?« fragte Prinz Albert plötzlich.
»Ich weiß nicht. Ich hoffte, das würden
Sie mir sagen können.«
Er fuhr herum und sah mich an. Er hatte
braune Augen mit hellen Flecken. »Wieso ich?«
»Man hat mir gesagt, daß Sie sich mit
Lampen auskennen.«
»Ach so.« Er sah weg.
»Kannten Sie Jake?« fragte ich.
»Wir waren befreundet.«
»Gut?«
»Ja, ganz gut. Er war für mich wie ein
älterer Bruder. Hat mir immer wieder Tips gegeben, wie ich mein Geschäft aufziehen
soll.«
»Wann haben Sie ihn das letztemal
gesehen?«
Er schwieg.
»Wann?« drängte ich.
»Gestern um die Mittagszeit. Er war bei
mir in der Werkstatt.«
»Warum?«
»Nur so, auf einen Schwatz.«
»Und worum drehte sich der Schwatz?«
»Die Inflation. Die hohen Alkoholpreise.
Herrgott nochmal, was reden Freunde schon miteinander.«
»Wie wirkte er?«
»Wie er wirkte?«
»Wie war seine Stimmung?«
»Wie immer.«
»Und was heißt das?«
Prinz Albert seufzte geräuschvoll. »Er
war genau wie sonst. Er war einfach Jake, und fertig.« Er machte eine Pause,
dann sagte er: »Lassen Sie mich doch die Fassung noch einmal sehen, ja?«
Ich gab sie ihm. Er nahm sie, machte
eine ungeschickte Bewegung und sagte, »Hoppla!« Das Metallstück war ihm aus der
Hand gefallen und im grünen Wasser unter uns versunken. Mit einem Ausdruck
gespielter Bekümmerung wandte er sich mir zu. »Wie ungeschickt von mir!«
Ich war wütend, aber ich beherrschte
mich. Er sollte sich nicht einbilden, er hätte mir mit seiner List ein
Schnippchen geschlagen.
»Sehr tolpatschig für einen Mann, der
es gewohnt ist, mit seinen Händen Präzisionsarbeit zu leisten.«
»Ich hoffe, ich habe dadurch nicht Ihre
Nachforschungen behindert.«
»Aber nein«, antwortete ich gelassen.
»Ich habe das Ding gestern abend gleich fotografiert.« Das stimmte nicht, aber
ich konnte aus dem Gedächtnis eine Zeichnung anfertigen. Ärger flog über sein
Gesicht, aber er lächelte. »Da bin ich wirklich erleichtert. Trotzdem muß ich
das irgendwie wiedergutmachen.«
»Wie wollen Sie das denn schaffen?«
»Kommen Sie morgen vormittag, ehe ich
wieder hier raus muß, zu mir in die Werkstatt. Dann erzähl ich Ihnen was über
Lampen und zeige Ihnen, wie sie gemacht werden. Vielleicht hilft Ihnen das
weiter, auch wenn ich jetzt Sand ins Getriebe gebracht habe.«
Und dabei würde er versuchen, mich
auszuhorchen. Aber vielleicht würde ich ihn trotzdem beim Wort nehmen. Ich
würde auf der Hut sein — gründlicher als heute. Und vielleicht würde ich etwas
über Prinz Albert erfahren.
»Vielen Dank. Ich komme mit Vergnügen.«
Mit einer galanten Geste bot Prinz
Albert mir den Arm, ich nahm ihn an, und wir schritten die Schattenseite des
Piers hinunter.
8
Auf dem Weg zu meinem Auto entdeckte
ich vor mir eine vertraute Gestalt, die dem Tor zustrebte.
»Paul!« rief ich. »Paul Collins.«
Der pummelige junge Mann drehte sich
erstaunt um, dann hob er grüßend die Hand. Ich lief schneller und holte ihn
ein. »Wieso gehen
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