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Tödliches Farbenspiel

Tödliches Farbenspiel

Titel: Tödliches Farbenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Zu sehen war niemand.
    Ein Mann mit einer tiefen Stimme sagte:
»Kommen Sie bitte ganz herein, und schließen Sie die Tür. Wir müssen Wärme
sparen.«
    Ich gehorchte und ging um die Theke herum.
    Der Mann saß an einem Schreibtisch im
Hintergrund. Die Hände auf dem leicht vorstehenden Bauch gefaltet, lag er
zurückgelehnt in seinem Drehsessel, so daß die kleinen Füße den Boden gerade
noch berührten. Ich erkannte das zerfurchte schwarze Gesicht von alten
Zeitungsfotos.
    »Guten Abend, Mr. Dettman«, sagte ich.
    »Miss McCone.« Er nickte. »Bitte nehmen
Sie Platz.«
    Ich setzte mich in den Sessel ihm
gegenüber und sah mich um. Gerahmte Fotografien von Afrikanern, die aussahen,
als hätte man sie aus National Geographie ausgeschnitten, schmückten die
Wände. In Bücherregalen aus unlackiertem Sperrholz stapelten sich Fachbücher
und Dokumente.
    »Von Eleganz keine Spur, aber wir tun
unser Bestes.« Dettman sprach gepflegt; nur ein Anklang des Ghettos schwang
mit.
    »Ich kann das verstehen. Bei der
Kooperative, für die ich tätig bin, kommt die Eleganz auch zu kurz.«
    »Ach ja, Pro Te. Eine gute Gruppe. Ich
nehme an, Sie kennen Hank Zahn.«
    »Er ist mein Chef, wenn man das so
nennen kann. Mit der Hierarchie haben wir es nicht so.«
    »Sagen Sie ihm auf jeden Fall einen
Gruß von mir, wenn Sie ihn das nächste Mal sehen.«
    Ich nickte. Ich würde nicht nur den
Gruß ausrichten, sondern Hank auch sämtliche ihm verfügbaren Informationen über
Dettman aus der Nase ziehen.
    Dettman fuhr sich mit einem Finger über
die gestreifte Krawatte, die geschlungen, aber nicht geknotet war. Er schnippte
sie rhythmisch auf und nieder, während er mich schweigend betrachtete.
    »Mr. Dettman«, sagte ich nach einer
kleinen Weile, »Sie wollten mich sprechen. Ich nehme an, Sie haben auch etwas
zu sagen.«
    »Zu gegebener Zeit.« Er schnippte
weiter die Krawatte auf und nieder. »Lassen Sie mich mit ein paar Fragen
anfangen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Wer ist Ihr Auftraggeber?«
    »Das brauche ich Ihnen nicht zu sagen.«
    »Aber es würde das Gespräch wesentlich
vereinfachen.« Er sprach langsam und gemessen. Instinktiv sah ich über meine
Schulter. »Nein, Miss McCone, wir sind ganz allein.«
    Ich lächelte, um meine Nervosität zu vertuschen.
»Gut. Solche Gespräche führe ich am liebsten unter vier Augen. Was Ihre Frage
betrifft, so wissen Sie doch bereits, wer mein Auftraggeber ist. Es gibt keinen
Grund, weshalb Johnny Hart Ihnen das nicht gesagt haben sollte. Er lotste mich
heute mittag allerdings so schnell durch sein Restaurant, daß ich Sie dort gar
nicht gesehen habe.«
    Es war nur eine Vermutung von mir, daß
er dort gewesen war, aber sie traf offenbar zu, denn Dettman lächelte dünn.
»Also kommen wir zur Sache«, fuhr ich fort. »Warum haben Sie mich herbestellt?«
    Er zog die Mundwinkel herab und hörte
auf, mit der Krawatte zu wedeln. Seine Hand schlich sich zum überladenen
Schreibtisch. Ich erstarrte, dachte an eine Waffe und lachte beinahe, als er
sich ein Keks aus der Dose nahm, die dort stand. Er schob es ganz in den Mund
und kaute mit aufgeblähten Wangen.
    Kauend sagte er: »Sie sind eine
energische junge Frau, Miss McCone.«
    »In meinem Beruf muß man das sein. Aber
wie wär’s, wenn Sie endlich zur Sache kämen?«
    Seine Hand wollte wieder zur Keksdose,
aber er beherrschte sich und verschränkte die Finger wieder auf seinem Buch.
»Gut, Miss McCone. Betrachten wir zunächst einmal in aller Kürze die Geschichte
dieses Stadtteils.«
    »Der Western Addition, meinen Sie?«
    Er zuckte die Achseln. »Western
Addition, Hayes Valley, Fillmore, Sie können das Viertel nennen, wie Sie
wollen. Jeder Kartenzeichner hat ein anderes Etikett dafür, und die Grenzen
überschneiden sich. Kommen wir zu seiner Geschichte. In den siebziger und
achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die schönen alten Häuser
erbaut wurden, die Ihrem Freund Wintringham so am Herzen liegen, war diese
Gegend ein erstklassiges Wohnviertel. Viele der Häuser überlebten das Erdbeben
von neunzehnhundertsechs, weil die Grenze der Schneise, die freigesprengt
wurde, um ein Ausbreiten des Feuers zu verhindern, die Van Ness Avenue war, die
ein ganzes Stück östlich von hier ist. Ja, nach dem Erdbeben war die Fillmore
Street eine Zeitlang eines der Haupteinkaufsgebiete für die ganze Stadt.«
    »Interessant, aber ich sehe die
Relevanz nicht.«
    Er begann wieder, mit der Krawatte auf
und nieder zu wippen.
    »Lassen Sie mich fortfahren.

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