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Tödliches Farbenspiel

Tödliches Farbenspiel

Titel: Tödliches Farbenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Im Zweiten
Weltkrieg machten die Werften in San Francisco große Geschäfte. Zu Tausenden
kamen die Schwarzen aus dem Süden, weil sie hier Arbeit zu finden hofften. Die
alten Häuser wurden umgewandelt, die Räume in Wohnungen aufgeteilt. Das war der
Anfang des Ghettos, das Sie heute hier sehen.«
    »Dann müßten Wintringhams Pläne doch
eigentlich willkommen sein.«
    Dettman schüttelte den Kopf. »Was
wissen Sie über die Bevölkerungsverschiebungen im Einzugsbereich unserer Stadt,
Miss McCone?«
    »Es gab eine regelrechte Stadtflucht.
Die Mittelklasse, vor allem Familien mit Kindern, zog in die Vororte. Geblieben
sind die Armen und die ganz Reichen und dazwischen ein Haufen Alleinstehender,
die wie ich das Leben in der Stadt nicht missen möchten.«
    »Ihre Informationen sind überholt.«
    »Wieso?«
    »In letzter Zeit hat eine Gegenbewegung
eingesetzt. Viele Mittelklassen-Weiße halten es in den Vororten nicht aus und
streben in die Stadt zurück. Weiter haben wir einen Zustrom von Homosexuellen
zu verzeichnen, die im allgemeinen in guten Verhältnissen leben, da das fast
alles Haushalte mit Doppelverdienern und ohne Kinder sind. Diese Leute ziehen
in Viertel wie die Western Addition und kaufen die alten Häuser auf, um sie zu
renovieren.«
    Mir fielen Johnny Harts Bemerkungen vom
Vorabend ein, die auf der gleichen Linie gelegen hatten.
    »Und sie verdrängen die Schwarzen, die
seit Generationen hier leben.«
    »Richtig. Wissen Sie, wo die nächsten
schwarzen Ghettos entstehen werden?«
    »Nein.«
    »In den älteren Teilen der Vorstädte.
Im Süden in Daly City. Im Osten in Concord. Die Halbinsel runter. Schauen Sie
sich doch East Palo Alto an — schon vor zwölf Jahren beantragten die Einwohner
eine Namensänderung auf Nairobi.«
    »Gut, ich höre, was Sie sagen. Trotzdem
— was hat das alles mit dem Mord zu tun, den ich zu klären versuche?« Dettman
beugte sich vor und legte die Hände flach auf den Schreibtisch.
    »Sehr viel, Miss McCone. Niemand läßt
sich gern aus seinem Zuhause verdrängen, niemand hat es gern, wenn er deshalb
plötzlich lange Wege zur Arbeit zurücklegen muß. In diesem Viertel hier siedet
es. Der Drogenhandel hier ist außer Kontrolle geraten. Was Sie hier erleben,
ist ein Aufwallen von Zorn. Und wenn viele Menschen zugleich zornig werden,
kommt leicht jemand zu Schaden.«
    »Und Sie glauben, Jake Kauffmann war
ein Opfer dieses Zorns?«
    »Ich weiß es.«
    Ich musterte ihn mit Vorsicht. In
seinen Augen blitzte ein seltsames Licht, seine Finger, wieder ineinander
verflochten, zuckten. Ich fragte mich, ob Nick Dettman geistig völlig gesund
war.
    »Woher wissen Sie das, Mr. Dettman?«
    »Ich kenne mein Viertel. Ich kenne
meine Leute.«
    »Oder wissen Sie vielleicht von einer
ganz bestimmten Person?«
    »Was?«
    »Wissen Sie, wer Jake Kauffmann getötet
hat?«
    Unsere Blicke prallten aufeinander. Wir
schwiegen beide. Dann lehnte Dettman sich zurück und lachte hohl.
    »Wenn ich das wüßte, würde ich es Ihnen
dann sagen?«
    »Nein, aber es kann nicht schaden zu fragen.«
    »Sie würden sich wundern, Miss McCone,
wie gefährlich Fragen sein können. Auch Sie können ein Opfer des Zorns der
Leute werden, von dem ich eben gesprochen habe.«
    »Ist das eine Drohung?«
    »Selbstverständlich nicht. Aber Sie
sollten sich klarmachen, daß die Straßen dieser Gegend für eine hübsche Weiße
nicht ohne Gefahr sind.«
    Ich mochte Nick Dettman nicht, ich
mochte seine Anspielungen nicht. Ich stand auf. »Auf so einem Niveau möchte ich
mich nicht mit Ihnen unterhalten.«
    Seine Hand stahl sich zur Keksdose, und
wieder zog er sie zurück.
    »Ehe Sie gehen, nehmen Sie Ihrem
schwulen Auftraggeber noch ein Wörtchen von mir mit.«
    »Meinen Sie?«
    »Sie werden ihm sagen, daß ich ihm
rate, sein Projekt fallenzulassen und aus meinem Viertel zu verschwinden.«
    »Sonst?«
    Er runzelte die Stirn.
    »Sonst?« wiederholte ich. »Bei einer
Drohung gibt es doch immer ein Sonst.«
    Sein dunkles Gesicht verzerrte sich. Er
konnte nicht gleich sprechen.
    »Ja, Miss McCone«, sagte er dann, »es
gibt ein ›Sonst‹. Sonst wird es Verdruß geben. Wie mit Jake Kauffmann. Es
könnte bei Wintringham anfangen. Oder seinen Arbeitern. Oder bei seinem Kumpel
Paul Collins. Es könnte sogar bei Ihnen anfangen.«
    »Oder bei Ihnen, Mr. Dettman«,
entgegnete ich ruhig. »Oder es könnte bei Ihnen anfangen.«
    Damit drehte ich mich um und rauschte
hinaus. Auf der Straße blieb ich kurz stehen, um Atem zu holen. Ein junger

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