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Tödliches Farbenspiel

Tödliches Farbenspiel

Titel: Tödliches Farbenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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nach Hause strebte. Um ganz sicher zu gehen,
folgte ich ihm bis zur Ecke Natoma Street, dann kehrte ich um und fuhr zum
letzten Container zurück, um mir dort mein Beweisstück zu holen. Ich ließ den
Motor laufen, rannte zum Container, stellte mich auf Zehenspitzen und guckte
hinein. Der Karton war verschwunden. Ich traute meinen Augen nicht.
    Die Stadtbevölkerung teilt sich in zwei
Gruppen, die eine entleert die Container, und die andere plündert sie. Ich
hatte einmal erlebt, wie ein Fahrrad mit nur noch einem Rad innerhalb von drei
Minuten nach seiner Landung im Container verschwunden war. Trotzdem war das
hier eine reife Leistung. Pech gehabt. Ich lief zum Wagen zurück und wendete.
Mein nächstes Ziel war der Container vor dem häßlichen Haus in der Franklin
Street.
    Wieder ließ ich den Wagen mit laufendem
Motor stehen. Als ich am Haus vorüberging, blickte ich hinauf. Es hatte zwei
Stockwerke, und die gerundeten Turmfenster waren dunkel. Es war ein
Aha-Erlebnis für mich festzustellen, daß es ein Queen-Anne-Haus war, dessen
Fassade mit Mörtel und Backstein zugemauert worden war. Eleanor van Dyne hätte
auf der Stelle der Schlag getroffen. Ich musterte das Haus aufmerksam. Nirgends
war ein Lichtschein zu sehen. Wahrscheinlich stand es wegen der
Restaurierungsarbeiten leer.
    In dem Container häufte sich der Müll
höher als in dem anderen. Größtenteils handelte es sich um Holz, Mörtel und
anderes ausrangiertes Baumaterial. Prinz Alberts Karton stand obenauf. Ich
reckte und streckte mich, aber ich konnte ihn nicht erreichen.
    Seufzend blickte ich die Straße auf und
nieder. Ein Glück, daß hier nirgends Fußgänger waren. Autofahrern würde ich
nicht auffallen, wenn ich auf den Container kletterte, und wenn doch, würden
sie sich nicht weiter darum kümmern. Ein Fußgänger hingegen würde sich sehr
wohl Gedanken darüber machen, warum eine junge Frau im eleganten schwarzen Hosenanzug
auf einem Berg Sperrmüll herumkroch.
    Der Kasten hatte auf den Seiten
Einkerbungen, die, wenn auch rutschig, meinen Zehen Halt gaben. Ich zog mich
hoch und beugte mich vor, streckte meinen Körper zu voller Länge. Meine Finger
verfehlten den Karton und trafen auf etwas Schleimiges. Ich riß meine Hände
zurück und zog mich vorsichtig etwas näher heran. Meine Nasenflügel blähten
sich bei dem unverwechselbaren Gestank verfaulenden Kohls. Jemand hatte seine
Küchenabfälle hier hineingeworfen.
    Mit gerümpfter Nase zog ich mich höher
und versuchte erneut, an den Karton heranzukommen. Diesmal bekam ich ihn am
oberen Rand zu fassen und zog. Er widerstand, und ich schwankte gefährlich auf
der Kante des Containers. Lieber Gott, dachte ich, laß mich bloß nicht in das
Schleimzeug fallen.
    Nachdem ich mein Gleichgewicht
wiedergewonnen hatte, zog ich nochmals, und der Karton bewegte sich auf mich
zu. Als ich ihn über den Rand hievte, hätte ich ihn beinahe fallen gelassen,
aber bald stand er wohlbehalten neben mir auf dem Boden. Ich zerrte ihn in den
Schatten eines Torbogens, der in eine schmale Gasse neben dem häßlichen
rosafarbenen Haus führte, und sah mir im Schein meiner kleinen Taschenlampe den
Inhalt an. Die satten Farben bunten Glases glühten auf. Es war eine der Lampen,
aber in der Dunkelheit konnte ich nicht erkennen, ob es eine elektrische oder
eine Petroleum-Lampe war.
    Ich war so eifrig bei der Sache, daß
ich meiner Umgebung keine Aufmerksamkeit schenkte. Als ich den Klang von
Schritten hinter mir hörte, war es zu spät. Eine dunkle Gestalt tauchte aus der
Finsternis auf und stieß mich grob an die Mauer. Ich schrie auf, als meine
Wange unsanft rauhen Backstein berührte, aber augenblicklich verschloß eine
Hand mir den Mund. Der unbekannte Angreifer schlang fest einen Arm um mich und
zog mich in die Gasse hinein.
    Ich versuchte, mich loszureißen. Ich
versuchte, einen der Griffe anzubringen, die ich bei der Selbstverteidigung
gelernt hatte. Nichts klappte. Er schleppte mich nur weiter. Verschwommen nahm
ich eine Feuertreppe wahr. Glasscherben knirschten unter meinen Füßen. Wir
stolperten an einer Tonne vorbei und stießen an einen Zaun an der anderen
Seite. Dort machten wir halt. Der Atem des Mannes zischte scharf an meinem Ohr.
Er sprach.
    »Jetzt paß mal auf, du blödes Luder.«
Die Sprache des schwarzen Ghettos war unverkennbar. »Du verschwindest aus der
Western Addition, verstanden? Hände weg von Wintringham und allem anderen.
Sonst wirst du ausgepustet.«
    Mir wurde eiskalt bei den Worten.

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