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Tödliches Farbenspiel

Tödliches Farbenspiel

Titel: Tödliches Farbenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Ich
bemühte mich, ganz kühl zu bleiben. Es war doch nur eine Drohung. Er hatte
nicht die Absicht, mich gleich zu töten.
    »Hast du das kapiert, du Luder?« Seine
Lippen waren immer noch dicht an meinem Ohr.
    Ich wollte nicken, aber seine Hand lag
so fest auf meinem Mund, daß ich den Kopf nicht bewegen konnte.
    »Ich sagte, hast du’s kapiert?«
    Ich gab einen erstickten Laut von mir.
    Er faßte das anscheinend als Bejahung
auf, denn gleich darauf sauste ich, von ihm mit einem gewaltigen Stoß
angetrieben, noch weiter in die Gasse hinein, stolpernd und torkelnd, nur mit
Mühe einen Sturz vermeidend. Ich wollte mich an der Hausmauer festhalten, griff
daneben, stürzte nun doch und landete wie ein Häufchen Elend auf dem kalten
Pflaster. Die eilenden Schritte des Unbekannten hallten in der Dunkelheit. Ehe ich
mich aufrappeln konnte, war er verschwunden.
    Ich ließ mich schwer atmend vor
Erschöpfung und Schreck wieder zu Boden sinken. Es war eine Drohung, sagte ich
mir, nur eine Drohung. Das kennst du doch. Und dir ist ja im Grund gar nichts
passiert.
    Ein Schwarzer. Dettman? Nein, Dettman
war ein schwabbeliger Dickbauch. Dieser Mann war schlank und muskulös gewesen.
Johnny Hart? Nein, nicht groß genug. Wer dann? Ein Fremder. Einer, den Dettman
oder Hart angeheuert hatten, ihre schmutzige Arbeit zu tun.
    Wie hatte er mich überhaupt
aufgestöbert? Ich hatte an einer Besichtigung historischer Häuser teilgenommen,
hatte Prinz Albert durch die halbe Stadt verfolgt und zwei Müllcontainer
heimgesucht. Ich fröstelte, als mir klar wurde, daß er mir die ganze Zeit
gefolgt sein konnte und vielleicht nur seine Chance abgewartet hatte.
    Ein Rascheln bei den Mülltonnen riß
mich in die Gegenwart zurück. Um Gottes willen, Ratten! In San Francisco waren
die Ratten zu einem Problem geworden. Die Hinterhöfe waren voll von ihnen.
    Ich sprang auf wie von einer Tarantel
gestochen und raste zur Straße. Als ich den Torbogen erreichte, fiel mir der
Karton wieder ein, den ich aus dem Container gerettet hatte. Hastig begann ich
zu suchen. Ich fand nur meine Taschenlampe. Der Karton war verschwunden, genau
wie der Unbekannte.
    Verdattert stand ich auf der Straße.
Die Drohung konnte ich verstehen. Hank hatte mir geraten, Dettman und Genossen
ernst zu nehmen. Und in bezug auf Johnny Hart hatte ich trotz seiner
Hilfsbereitschaft meine Zweifel.
    Aber das hier — wozu? Was konnten diese
beiden mit dem Auge der Tigerkatze im Sinn haben?

15
     
    In den frühen Morgenstunden hatte es zu
regnen begonnen, aber das war nicht das einzige, was sich mir aufs Gemüt legte.
Ich hockte im Schneidersitz auf meinem Bett und wärmte mir die Hände an einer
Tasse Kaffee. Am Abend zuvor hatte ich meine Angst überwunden und auch noch den
dritten Container aufgesucht, um nach der Lampe zu sehen. Doch auch die war
verschwunden gewesen. Meine Anstrengungen hatten mir nichts weiter eingebracht
als Schrammen und blaue Flecken von dem Handgemenge in der Hintergasse.
    »Wie zum Teufel hat die Tigerkatze
überhaupt ausgesehen?« brummte ich vor mich hin. Es war Jahre her, seit ich Alice
im Wunderland gelesen hatte.
    Ich ging zu dem Bücherregal an der einen
Wand meines Apartments und sah die Kinderbücher durch. Ich hatte sie beim
letzten Hausputz meiner Mutter, der sich bis zum Speicher des geräumigen alten
Hauses in San Diego erstreckt hatte, gerade noch gerettet. Während sie
unverdrossen mit dem Schrubber zugange war, hatte ich sie angefleht, mir die
Bücher aufzuheben.
    Nein, sie nähmen im Speicher nur Platz
weg und müßten hinaus.
    Dann solle sie sie wenigstens ihren
Enkelkindern geben. Die hätten selber Bücher genug.
    Was dann mit meinen Kindern wäre? Ich
würde schließlich auch einmal Kinder bekommen.
    An dieser Stelle hatte meine Mutter
mich mit strengem Blick angesehen und erklärt, das wolle sie erst glauben, wenn
sie die Kinder mit eigenen Augen sehen könne. Schließlich sei ich ja nicht mehr
die Jüngste, oder? Nein, wenn ich die Bücher unbedingt haben wollte, konnte ich
sie ja nach San Francisco mitnehmen.
    So kamen die Kinderbücher neben meine
alten Soziologielehrbücher.
    Ich zog eine illustrierte Ausgabe von
»Alice« heraus und blätterte sie durch, betrachtete mit einem Lächeln die
pfeiferauchende Raupe. Etwa in der Mitte stieß ich auf die Szene, wo Alice zu
einer grinsenden Katze in einem Baum hinaufsieht.
    »Würdest du mir bitte sagen, welchen
Weg ich von hier aus einschlagen soll?«
    »Das kommt sehr darauf an, wohin

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