Toedliches Konto
Sache ist so undurchsichtig, mir fehlt gerade die Konzentration für den Durchblick.”
Vera wusste, wohin seine Konzentration gerichtet war, aber das wollte sie jetzt nicht akzeptieren. “Wir müssen hinter das Motiv kommen, dann haben wir auch den Mörder.”
“Aber wir haben keine neuen Erkenntnisse. Ich sehe nicht, wo wir ansetzen können.”
Vera spürte eine ein innere Unruhe in sich aufkommen. Weshalb war sie überhaupt hier? Erst hat sie der Pfarrer hierher gelockt, um zu reden, und jetzt, wo sie da ist, fühlt er sich überfordert zum Denken.
“Wir müssen einfach die Fakten, die wir haben, nochmals sortieren. Und die Recherche von Jim - das ist der Journalist - hat doch irgendwie ein Muster zu Tage gefördert. Damals, vor acht Jahren, hatte dein Freund Alfred eine Kroatin hierher geholt, damit sie bei seinem und deinem Freund Günther in Gelddingen herum schnüffelt. Jetzt hat Günther in Alfreds Gelddingen herum schnüffeln wollen und hat dafür unglückseligerweise meinen Mann dazu gebraucht. Und wieder wurde eine Kroatin ins Spiel gebracht, die wahrscheinlich den Auftrag hatte, das Schnüffeln zu beschleunigen oder zu unterbinden. Das wissen wir noch nicht.”
“Du meinst, diese Ina wurde gezielt eingesetzt?”
“Mein Gott noch mal”, Veras Stimme war laut und scharf geworden, “jetzt streng deine Gehirnzellen mal etwas an. Ina wurde gleich nach meinem Mann ermordet, und zwar genau dann, als mein Mann die Kontokopie bei sich hatte. Das alles macht nur Sinn, wenn Ina von vornherein in dieses Spiel eingebunden war. Sie hatte sich die Kopie bei Walter geschnappt und dann wurde sie ihr gewaltsam entrissen.”
“Das würde bedeuten, dass sie deinen Mann umgebracht hat.”
“Nicht zwangsläufig. Aber halten wir uns nicht mit belanglosen Kleinigkeiten auf. Es geht um den großen Zusammenhang. Wer ist der Initiator und hat letzten Endes die Morde zu verantworten? Die Ausführung selbst ist unerheblich.”
“Das wird die Polizei sicher anders sehen, aber egal.”
“Man muss immer in großen Zusammenhängen denken, aber das hat die Menschheit noch nicht begriffen. Doch zurück zu unserer Geschichte. Wir hatten bei unserem letzten Gespräch die These aufgestellt, dass Günther möglicherweise die üppige Provision an den Geschäften zwischen Alfred und dem Russen nicht mehr voll erhalten hatte. Dass er das zumindest vermutet haben könnte. Nun hat Jim herausgefunden, dass früher schon Günther mit dem Geld von Alfred zweifelhafte Anlagegeschäfte gemacht hatte. Und Alfred hatte vermutet, dass Günther ihm die Gewinne vorenthielt. Deshalb hatte er die Kroatin Kati ihm als Laus in den Pelz gesetzt. Und vielleicht hatte sie herausgefunden, dass Günther tatsächlich zu viel in die eigene Tasche abgezweigt hatte. Daraufhin wollte Alfred Gleiches mit Gleichem vergelten, und enthielt seinerseits Günther seine Provisionen vor. So hatten sie sich gegenseitig beschissen. Und nach außen hin taten beiden so, als wären sie weiterhin alte Freunde. Eine schöne Gesellschaft seid ihr.”
Der Pfarrer, der bis jetzt brav mit Vera nur Mineralwasser getrunken hatte - das für Veras Geschmack viel zu kalt war - griff zum Ramazotti. Als Vera den Kopf schüttelte, goss er nur sich ein und leerte in einem Zug das Glas. Das tat er immer, wenn er alleine war.
“Es stimmt, unsere Gemeinschaft war wahrscheinlich von Anfang an nur eine Plattform zur Förderung individueller Interessen. Aber das ist wohl das Muster für die meisten Gemeinschaften. Sie funktionieren nur dann, wenn die Einzelnen durch die Gemeinschaft größere Vorteile erfahren, als wenn sie alleine blieben.”
“Das ist ein abendfüllendes Thema. Aber zurück zu den Morden. Wir haben jetzt die Geschichte im Hintergrund ganz gut erklärt. Als Arbeitshypothese sozusagen. Und wie kam es zu den Morden?”
Max sagte nichts dazu. Er hatte auch keine Lust mehr nachzudenken.
“Tatsache ist, dass Alfred gleich von der Schnüffelei in seinem Konto erfahren hatte. Vielleicht hatte er auch gleich den Verdacht, dass Günther der Initiator war, weil er wohl wusste, dass Walter und Günther alte Freunde waren. Aber er ließ durch den Bankvorstand Walter so einschüchtern, dass er davon ausgehen konnte, dass Walter die Daten nicht mehr weitergeben wollte. Aber Alfred konnte sich nicht sicher sein. Denn er kannte auch Günther in seiner Hartnäckigkeit. Deshalb schleuste er Ina aus Kroatien ein, wie damals Kati. Walter war blöd genug und war auf Ina
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