Tödliches Labyrinth
Mitreißendes.
Leah beneidete sie um ihre Freiheit zu kommen und zu gehen, wie es ihnen gefiel. Doch nachdem sie nun mit ihrer Mutter gesprochen hatte, würde ihr eigenes Leben vielleicht nicht länger so vielen Beschränkungen unterworfen sein. Sie konnte nur darauf hoffen, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag.
Die Kleinstadt kam in Sichtweite. Über den Häusern flimmerte die heiße Luft, die sich über der ausgedörrten Erde hielt. Die Stadt war ausgesprochen übersichtlich und bestand aus einer zusammengewürfelten Ansammlung von Ziegelsteingebäuden, die die wenigen Straßen säumten und so wirkten, als hätten sie schon vor dreihundert Jahren und mehr dort gestanden. Soweit Leah wusste, war das wohl auch der Fall, denn ihren Ursprung hatte die Stadt in einer Zeit, als sie weit und breit der einzige Handelsposten gewesen war. Gegenüber der Kolonialwarenhandlung an der Ecke existierte dieser Handelsposten noch immer. Heute allerdings war es ein kleines Souvenirgeschäft, in dem Türkis- und Silberschmuck, indianische Puppen, handgewebte Decken, Keramik und Postkarten ebenso wie minderwertiger Kram verkauft wurden.
Jim lenkte den Pick-up von der Straße auf den sandigen Parkplatz, der zur Kolonialwarenhandlung gehörte. Dort stand bereits eine Ansammlung anderer Fahrzeuge – vorwiegend rostige Personenwagen und ramponierte, alte Trucks, aber auch ein paar Motorräder, die arg mitgenommen waren und bessere Zeiten erlebt hatten, die allerdings schon sehr lange zurücklagen. Kaum jemand von den Menschen, die in dieser Gegend lebten, besaß wirklich viel Geld. Jim hielt den Pick-up neben einer neuen Zapfsäule an, einem der wenigen Anzeichen dafür, dass diese Stadt nicht völlig von der Zeit vergessen worden war.
Leah stieg aus und half ihrer Mutter aus dem Wagen. Während Jim den Wagen voll tankte, gingen die beiden Frauen hinüber zum Geschäft.
Vor dem Gebäude verlief eine altmodische Veranda mit Geländer und einem weit überragenden Dach. Auf einer Seite neben der stabilen Eichentür, die von einer kleinen, umgedrehten, alten Weinkiste aufgehalten wurde, stand ein Cola-Automat, daneben luden einige Holzstühle zum Ausruhen ein. Dort hatten zwei Männer mit rötlich-brauner, wettergegerbter Haut Platz genommen und spielten Dame. Das Brett lag auf einem großen, leeren Fass, das zwischen ihnen stand. Eine ältere Indianerin sah ihnen bei ihrem Spiel zu und schlug hin und wieder mit einer Fliegenklatsche aus Kunststoff nach einigen allzu hartnäckigen Insekten. Auf der anderen Seite der Tür lungerte eine Gruppe junger Männer herum, die Zigaretten rauchten und Bier aus Flaschen tranken, die im Kühlschrank gestanden haben mussten, da sie in der Hitze so sehr beschlugen, dass immer wieder Tropfen auf die staubige Holzveranda fielen.
Die jungen Männer taxierten Leah, während sie näher kamen. Einige von ihnen pfiffen anerkennend und machten bewundernde, wenn auch ein wenig gewagte Bemerkungen. Leah reagierte verlegen und mit hochrotem Kopf. Die Andeutungen verstummten abrupt, als Faith der Gruppe einen finsteren Blick zuwarf.
“Hey, Mamacita, wir wollten nicht boshaft oder respektlos erscheinen”, erklärte einer aus der Gruppe und grinste die beiden Frauen frech an.
Faith schnaubte frostig, packte Leah am Ellbogen und bugsierte sie vor sich her ins Geschäft. Leah wagte es nicht, ihre Mutter anzusehen. Sie wusste, sie hatte es sich selbst zuzuschreiben, dass diese rüpelhaften Männer vor der Tür auf sie aufmerksam geworden waren und ihre Kommentare von sich gegeben hatten. Wäre sie konservativer gekleidet gewesen und hätte sie ihr Haar in der üblichen Weise geflochten getragen, dann wäre sie von ihnen möglicherweise ignoriert worden.
“Du kannst dir ruhig dein Make-up aussuchen, Leah”, sagte Faith mit einem resignierenden Seufzer, während sie einen Einkaufskorb vom Stapel neben der Tür nahm. “Ich nehme an, man kann einen Geist nicht wieder in seine Flasche zurückschicken, wenn er erst einmal entkommen ist. Und wenn die Wahrheit an den Tag käme, würde sich herausstellen, dass du schon seit einer ganzen Weile Make-up in deiner Handtasche versteckst und in der Schule auflegst, ohne uns etwas davon zu sagen. Du glaubst, was wir nicht wissen, kann uns nicht aufregen. Nun, ich bin fast sicher, alle Mädchen in deinem Alter machen das so. Es ist einfach eine Phase im Leben, die man durchmacht. So ungern ich das jetzt auch zugebe, muss ich dir doch etwas gestehen: Ich habe mich auch so
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