Tödliches Lachen
tragischen Unfall verlor und von diesem Schicksalsschlag so gebeutelt war, dass er jahrelang an der Flasche hing. Selbst im Büro hatte er immer eine Flasche Cognac in seiner untersten Schreibtischschublade, und schon morgens, wenn Durant ins Zimmer trat, roch sie die Fahne, die er mit seinem Atem verströmte. Er war fett geworden, und es schien nur eine Frage der Zeit, bis sein Körper aufgab, aber irgendwann hatte er festgestellt, dass er so nicht weiterleben konnte. Er hörte von einem Tag auf den andern mit dem Trinken auf, rauchte nicht mehr, begann sich gesund zu ernähren und lernte schließlich eine Frau kennen, mit der er seit nunmehr fast drei Jahren glücklich verheiratet war.
Durant hatte ihn immer gemocht, auch in seiner schweren Zeit, wenn manche Kollegen meinten, es wäre besser für ihn, wenn er seinen Dienst quittieren oder wenigstens zum Entzug gehen würde. Er hatte so viel Vertrauen zu ihr, dass er sie schon vor Jahren zur leitenden Ermittlerin machte. Er hatte ihr immer wieder den Rücken gestärkt und sie gegen Widerstände von außen verteidigt, sogar wenn er sich damit selbst schadete. Aber er war ein Diplomat, er wusste, wie man mit bornierten Staatsanwälten und Kollegen umzugehen hatte, etwas, das Durant noch lernen musste. Sie wollte viel zu oft mit dem Kopf durch die Wand und duldete nur selten Wiederworte und unternahm zu viele Alleingänge. Im Prinzip das, was Hellmer ihr gestern vorgeworfen hatte.
Auf der Etage befanden sich vier Wohnungen. Carolina Fischer wohnte am Ende des Flurs rechts vom Aufzug. Es roch sauber, es war sauber, keines dieser vielen Hochhäuser, die sie in all den Jahren gesehen hatte, wo die Knöpfe in den Aufzügen von Feuerzeugen versengt waren, die Aufzüge selbst ratterten und schaukelten, dass einem Angst und Bange werden konnte, man die Türgriffe nur widerwillig anfasste und die Wände voller Graffitisprüche waren und überhaupt alles einen verkommenen Eindruck machte. Hier fand sie das genaue Gegenteil davon vor.
Vor der Tür lag eine Fußmatte mit einem Herz darauf und den Worten »Herzlich willkommen«, an der Tür war in Augenhöhe ein Spion, der jedoch von innen zugeklebt war, darunter ein goldenes Namensschild mit der Aufschrift »Fischer «.
Berger hob die Matte hoch, nahm den Schlüssel, sah Durant kurz an und steckte ihn ins Schloss. Er atmete einmal tief durch. Auch ihn schien es Überwindung zu kosten, in die Wohnung zu gehen. Schließlich drehte er den Schlüssel und rückte die Tür vorsichtig auf.
»Kommen Sie schnell rein«, sagte er und schloss die Tür hinter sich, als er Stimmen auf dem Flur vernahm.
Ihnen bot sich ein Bild des Grauens. Julia Durant brachte keinen Ton hervor, selbst Berger war sprachlos vor Entsetzen. Vor ihnen lag eine junge Frau, die Augen weit aufgerissen, die Arme und Beine seltsam verkrümmt, der Hals mit einem langen Schnitt durchtrennt, rings um sie eine riesige, inzwischen getrocknete Blutlache, Blut an den Wänden, und Blut, das sogar bis an die Decke gespritzt war. Die Frau war vollständig bekleidet, hatte mittellange schwarze Haare und blaue Augen, aus denen jeder Glanz gewichen war.
Berger stieg über sie hinweg und blieb kurz darauf stehen. Er wandte für einen Moment den Blick ab und mahnte sich zur Ruhe. Durant stellte sich neben ihn und schaute auf die andere junge Frau, die nackt auf einem Stuhl saß. Der Oberkörper, die Arme und die Beine waren mit schwarzen Strümpfen gefesselt, ein Strumpf steckte in ihrem Mund. Ihr Bauch war vom Schambein bis zum Brustbein aufgetrennt, alles um sie herum war voller Blut. Auch ihr war ein tiefer Schnitt durch die Kehle beigebracht worden, doch das war nicht das Schlimmste. Julia Durant starrte auf die beiden großen Wunden, wo bis vor wenigen Stunden noch Brüste waren, die jetzt auf dem Tisch lagen. An der Wand hinter der Toten stand in großen Lettern, und wie bei Svenja Martens mit Blut geschrieben, »Huren sterben einsam«.
In Durants Magen rumorte es. Sie hätte sich übergeben können, doch sie unterdrückte den Würgereiz. Erst jetzt nahm sie den durchdringenden, alles überdeckenden Gestank wahr, der durch die voll aufgedrehte Heizung noch intensiviert wurde. Allmählich überblickte sie das Zimmer, sah etwas über einer Stuhllehne hängen sowie Organe, die auf dem blutdurchtränkten Sofa und neben dem Stuhl lagen. Sie wandte rasch den Blick ab und drehte sich um.
»Das kann nicht sein«, stieß sie mit tonloser Stimme hervor. »Das ist ein
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