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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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hereinzulassen. Dann wird ihn ein vom Blitz abgerissener Ast von einem Obstbaum im Nachbargarten am Kopf erwischen, er wird eine üble Beule am Kopf haben und du wirst ihn mit Pflastern und Eisbeuteln versorgen. Nachdem du ihn eingelassen hast und bevor er dich küssen wird. Ich beschloss, ihn vor dem Ast zu warnen. Dann zieht er das Sofa ein paar Meter nach links und der Ast zerdeppert dir das Wohnzimmerfenster. Du wirst die halbe Nacht damit zubringen, Glassplitter zusammenzufegen und das Regenwasser im Wohnzimmer wegzuwischen. Er hilft dir dabei, und er wird dich küssen, wenn ihr fertig seid.
    Ich seufzte.
    »Kommen Sie rein«, brüllte ich, Sam rappelte sich hoch und sah tatsächlich überrascht aus, was mich mal wieder wie ein Miststück dastehen ließ.
    »Was hast du da gerade gemacht?«, fragte er, als er zerzaust und tropfend in meiner Küche stand.
    Ich bemerkte unsere feuchten Fußspuren auf dem Boden, runzelte die Stirn.
    »Ich habe Sie reingeholt, weil da draußen die Welt untergeht.«
    »Nein. Davor. Als du mich angesehen hast. Wenn du siehst ... dann blinzelst du nicht. Dann schaust du ganz starr, ohne dich zu regen. Und das hast du gerade ein paar Mal gemacht.«
    »Ich habe die Möglichkeiten durchgespielt. Und es ist das kleinere Übel, Sie hier drin warten zu lassen, bis das da draußen sich beruhigt hat.«
    Sam strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht. »Oh. Danke.«
    »Keine Sorge, es war nicht ganz uneigennützig«, antwortete ich in Erinnerung an das zerbrochene Fenster.
    Er sah sich in meiner Küche um. »Dann bin ich ja beruhigt. Und was ist das hier? Die Brücke von Raumschiff Enterprise?«
    »Die Küche.«
    »Irgendwie … spacig.«
    »Sie muss nicht Ihnen gefallen, sondern mir. Kommen Sie mit.«
    Ich führte ihn durch die Eingangshalle in ein kleines Bad. 'Gästebad' hatte der Architekt es genannt. Ich hatte gewusst, dass ich keine Gäste haben würde, hatte es aber trotzdem einbauen lassen. Man konnte niemals genug Bäder haben, wenn man seinen Lebensunterhalt damit verdiente, im fauligen Innenleben seiner Mitmenschen zu wühlen. Sam kam nun die Ehre zu, die Dusche einzuweihen: Der Regen hatte ihm eine Gänsehaut beschert, die nassen Klamotten klebten an seinem Körper und ließen ihn noch schmaler aussehen.
    »Warten Sie hier«, sagte ich, ging nach oben und holte eine Zahnbürste, Zahnpasta, eine Seife und Handtücher. Ich warf einen Blick in meinen Kleiderschrank und nahm eine karierte Schlafanzughose sowie ein weites, weißes Hemd heraus, beides war mir zu groß und würde Sam daher eventuell passen. Als ich wieder unten war, fand ich ihn im Flur, wo er die Fotografien betrachtete, die dort an der Wand hingen. Natürlich hatte er nicht im Bad gewartet: Er schien grundsätzlich nicht das zu tun, worum man ihn bat.
    »Hast du die gemacht?«, fragte er, ich nickte.
    »Ja.«
    »Du bist ganz schön rumgekommen, oder?«
    »In einem früheren Leben.«
    Ich hörte den Wehmut, der in meiner Stimme lag, und ich mochte ihn nicht. Nicht außen. In mir war er okay, denn er trieb mich an, mehr an mir zu arbeiten.
    »China. Mexiko. Thailand. Schottland. Und wo ist das hier?« Er zeigte das Bild eines Berges.
    »Afrika. Kilimandscharo.«
    »Warst du oben?«
    »Ja.«
    »Toll!«
    »Das organisiert Ihnen jedes Reisebüro.« Ich legte Sam die Sachen auf die Arme. »Könnte Ihnen passen.«
    Er verzog den Mund, aber wohl nicht wegen der Klamotten.
    »Warum duzt du mich eigentlich nicht?«, erkundigte er sich, und brachte mich damit mal wieder aus dem Konzept.
    »Weil wir keine Freunde sind.«
    »Frau Berger nennst du deine Freundin, aber sie siezt du auch.«
    »Das ist kein Argument, was Ihnen nützt«, gab ich zurück, Sam lachte.
    »Richtig. Dann sag bitte Du zu mir. Wir sind vielleicht noch keine Freunde, aber wir stecken zusammen in der Scheiße.«
    »Tun wir nicht«, sagte ich und machte eine einladende Geste zum Bad, die er ignorierte. Natürlich.
    »Das sehe ich anders. Ich will nicht dabei sein, wenn du stirbst. Nicht so. Wenn du mit hundertfünf selig entschwebst, nachdem wir sämtliche Berge dieser Welt bestiegen haben, dann gerne. Dann bin ich wahrscheinlich hundertzehn, und wir würden uns in ein paar Tagen ohnehin wieder sehen. Dritte Wolke links, ich bringe die Harfe mit, du reservierst mir einen Heiligenschein.«
    »Wenn du nicht dabei sein willst, wenn ich sterbe, geh einfach«, entgegnete ich. »Setz dich in dieses Ding, das du ein Auto nennst, und fahr. Nach Norden, Süden, Osten oder

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