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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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andere nur ein Ziel kannte: Sich nicht verletzen zu lassen …
    »Zieh doch den Vorhang zur Seite.«
    Das Licht der Sonne brach herein, schmerzte, so daß sie für eine Sekunde die Lider schloß. Dann öffnete sie die Augen, sah den Himmel und davor einen Talausschnitt mit braunen Häusern und Gemüse- und Olivengärten. Sie sah die Zypressen, Palmen und Brotfruchtbäume eines wunderschönen Parks. Und vor sich eine Terrasse. Es war eine sehr große Terrasse, die mit goldbraunlasierten Kacheln bedeckt und von einer Säulenbalustrade begrenzt war. Vor ihr, keine fünf Meter entfernt, auf der Mitte der Terrasse, saß ein Mann. Er saß in einem Rollstuhl. Die Beine waren von einer Decke verhüllt. Den mächtigen breitschultrigen Oberkörper bedeckte ein hellblaues leichtes Hemd. Groß, rechteckig schien auch das Gesicht. Es war tief gebräunt. Die Augen konnte sie nicht erkennen. Er trug eine Sonnenbrille.
    Ihr Herz setzte aus – und für einen quälenden Bruchteil von Zeit hatte sie das Gefühl, es würde nie mehr zu schlagen beginnen.
    »Nun«, sagte die Stimme aus dem Lautsprecher: »Da sind wir ja wieder, nicht wahr?«
    Ihre Hand versuchte die Klinke der Terrassentür niederzudrücken. Das kühle Metall rührte sich keinen Millimeter. Die Türe war verschlossen …
    Tim saß auf dem Himmelbett und kämpfte mit den Schnürsenkeln.
    Die Bergstiefel, die er am Morgen für die Suchaktion angezogen hatte, waren zu schwer und zu heiß. Für das, was er jetzt vorhatte, brauchte er Turnschuhe. Rigo war mit seinen Leuten abgefahren, nachdem sie auch die Häuser und Hütten der Cala Pi erfolglos durchkämmt hatten.
    Das Telefon summte. Vielleicht Rigo? Vielleicht war er mit seiner Kollektion an ätzenden Fragen noch nicht durch? – Tim hob ab.
    »Hallo, hallo …! Na, ihr habt sicher wunderschönes Wetter …?! Bei uns regnet's noch immer … Was wäre ich jetzt gerne bei euch. Dann könnten wir gemeinsam feiern. Jedenfalls: Meine herzlichsten Glückwünsche!« Die Stimme der alten Dame. Und so lärmend und heiser, als würde sie aus dem Nebenzimmer telefonieren. Und so voll erwartungsvoller Energie!
    Tim holte tief Luft: »Sie?«
    »Na, sicher, Tim. Heute ist schließlich euer Hochzeitstag. Ein Küßchen, Tim – und tausend für Melissa!«
    »Ja«, sagte er.
    »Na, wie gefällt's euch in meinem alten Formentor? Herrlicher Kasten, nicht wahr?«
    »Hören Sie …«
    »Was ist denn? Habe ich euch geweckt?« Wieder das leise Lachen, leise, voll innigem Verstehen – und unerträglich! »Warum sagst du denn nichts, Tim? Was ist denn?«
    Ja, was? Wie sollte er etwas erklären, das gar nicht zu erklären war?
    »Tim?« Helene Brandeis' Stimme klang alarmiert: »Ist was passiert?«
    »Kann man wohl sagen. Melissa ist verschwunden.«
    »Wie bitte? Verschwunden?! Was heißt denn verschwunden?«
    »Seit gestern.« Er hatte Mühe mit seiner Stimme: »Wir wollten rauf, zum Tee-Pavillon … Ihrem Tee-Pavillon, Helene. Und da kam sie nie an.«
    »Aber wie denn?«
    Er versuchte es ihr beizubringen. Er hatte es sich selbst gegenüber schon so oft versucht und wurde sich jedesmal der Ungeheuerlichkeit dessen bewußt, was er sagte.
    Nun eine lange Pause. Dann ein leises: »Mein Gott …«
    »Richtig. Aber der hilft auch nicht weiter.«
    Seit langer Zeit siezte sie ihn zum ersten Mal: »Und Sie haben wirklich keine Erklärung, Doktor?«
    »Fragt mich jeder. Und woher soll ich sie nehmen, die Erklärung? Daß sie einer umgebracht hat? Daß sie irgendwo in eine Schlucht stürzte? Sie kennen doch Formentor. Da gibt's überall Felsen, Steine, Abgründe, Steilküsten, Klippen … Das ideale Unfallgelände. Oder daß sie vergewaltigt wurde? Sind alles Erklärungen …«
    »Ja, natürlich.« Wieder die gleiche, endlose Pause und der leise, nun mühsame Atem der alten Frau. »Ein Unfall? Aber wie denn? Warum sollte Melissa weglaufen, wenn sie mit Ihnen feiern wollte? Und wo kann man schon verunglücken auf dem Weg vom Hotel zum Tee-Pavillon? Geht ja gar nicht. Ist ja völlig albern!«
    »Richtig. Albern. Aber mir ist nicht albern zumute. Die Guardia Civil hat Verstärkung angefordert. Sie will das ganze Gelände bis zum Leuchtturm durchkämmen. Eine Fahndung ist auch schon ausgeschrieben. Aber was soll das alles schon bringen?«
    »Hör mal, Tim, jetzt laß bloß nicht die Flügel hängen. Was hast du zuvor gesagt: Ihr neues Kleid wollte sie anziehen? Unglaublich hübsch übrigens, sie hat's mir noch gezeigt: Weiß mit grüner Spitze. Genau die

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