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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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junge Geliebte, mein Herz … Du mißverstehst mich völlig. Du mißverstehst auch deine eigene Situation. Das heißt, du kennst sie noch nicht. Was uns zueinanderzieht, hat den Rang eines Naturgesetzes. Es ist wie bei den Molekülen, mit denen wir arbeiten: Eine innere Kraft bewirkt, daß sich Ring an Ring legt. Elemente, die füreinander bestimmt sind, streben nun einmal zueinander. Platon wußte das schon, auch die Chinesen.«
    Sein Platon, die Chinesen … Dieses aufgeblasene, pseudophilosophische Geschwafel machte sie manchmal ganz krank. Schlimmer war: Er gab nicht auf! Täglich wartete der Bote mit den zwölf Baccara-Rosen vor ihrer Wohnungstür, ewig begegnete sie diesem Eulenlächeln hinter den schweren Brillengläsern. Die Geschenke, die Bevorzugungen, die kleinen Karteizettel mit seinen philosophischen Aphorismen und Zitaten, die sie zwischen Protokollen, Spektrometer und Mikroskop fand … Ein halbes Jahr hielt Melissa durch. Dann wurde ihr klar, daß sie gehen mußte, wenn sie nicht mit Krach aus der ›Fischer-Pharmazie‹ gefeuert werden sollte.
    An einem vierundzwanzigsten September, einem wunderschönen, milden Herbsttag, schrieb sie ihre Kündigung und legte sie Fred Fischer auf den Schreibtisch.
    Dies geschah kurz nach siebzehn Uhr. Sie würde keine der Minuten, die darauf folgten, je vergessen. Eine Viertelstunde später bereits stand er in ihrem Zimmer, untadelig wie stets im grauen Zweireiher mit den grauen Nadelstreifen, nachsichtig und überlegen wie immer sein Lächeln. Von dem, was sie geschrieben hatte, kein Wort.
    »Melissa, wir müssen sofort nach Frankfurt. Unser Kunde will noch einige Details über unsere Versuchsreihe. Ich brauche dich also dabei, mein Herz.«
    Nicht einmal auf das ›Herz‹ hatte er verzichtet.
    Sie hatte nur den Kopf geschüttelt. Und dann sagte sie ihm auf den Kopf zu, daß dieser Frankfurt-Trip nichts als ein Vorwand sei.
    Seine Antwort war typisch: Er nickte und verneinte zugleich. »In beiden Fällen geht es um eine Entscheidung, da hast du recht. Entscheidungen bin ich mein Leben lang nie ausgewichen. Ich nahm sie in die Hand. – Also?!«
    Warum sie damals nicht ablehnte, sondern zu ihm in seinen blauen Jaguar stieg – Melissa hatte sich darüber später oft den Kopf zerbrochen. Sie fand keine Antwort. Sie protestierte auch nicht, als er statt des Autobahnzubringers die alte Straße nach Dossenheim nahm, die durch die romantischen kleinen Weindörfer über der Rheinebene führte. Er saß neben ihr: Ein massiver, dunkler Schatten, und das Licht der Armaturen spiegelte sich in seinem sonderbar glatten Gesicht und in den Gläsern seiner Brille. Wie immer hatte er sich nicht angeschnallt. Er steigerte das Tempo, schnitt die Kurven. Sie hatte ihm schon öfters seine rücksichtslose Fahrweise vorgehalten, doch so wild und bedenkenlos war er noch nie gefahren. Vielleicht hatte er wieder irgendwelches Amphetamin genommen, ohne seine ›Speeds‹ konnte er ja gar nicht mehr sein, vielleicht war es auch etwas anderes. Sie spürte, wie die Spannung zwischen ihnen wuchs und damit ihre Angst. Von den Terrassen der Weinberge wehten Nebelschleier über die gewundene Straße. Die Fahrbahn glänzte naß. Ihm machte das alles nichts aus. Er überholte andere Fahrzeuge, Lastwagen, der Jaguar schleuderte – und er lachte!
    »Muß das sein?«
    »Was muß schon sein?« Wieder dieses helle, kranke Kichern. »Weißt du's, mein Herz? Ich denke gerade auch darüber nach: Vielleicht muß es tatsächlich sein …«
    Eine neue Gerade!
    Die Straße führte durch ein Waldstück. Stämme flogen vorüber, rechts, links. Sie verkrampfte sich in ihrem Sitz. Die Nägel ihrer Finger schnitten ihr in die Handballen, sie merkte es nicht einmal.
    »Du willst weg, mein Herz? Muß das sein? Kündigen willst du? Als ob man sich von mir mit einem Wisch Papier trennen könnte … Weißt du, was das ist? Nicht nur albern, sondern …«
    Was es sonst noch war, Melissa hatte es nie erfahren.
    Es kam nicht dazu.
    Sie ahnte wohl, daß nun irgendwas geschehen würde, sah die weiße Markierung der Kurve förmlich auf sich zufliegen. Nasses Laub sei auf der Straße gelegen, hatte ihr später der Polizeibeamte gesagt, der sie im Unfall-Krankenhaus vernahm. Und solches Laub sei gefährlicher als Schmierseife …
    Doch wie der Unfall ablief, daran gab es keine Erinnerung. Sie hörte noch einen Schrei – sie wußte nicht, kam er von ihr oder von ihm –, spürte einen Schlag, und dann gab es nur noch dieses

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