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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das Knäuel aus lauter losen Fadenenden besteht? Was dann?
    Sich irgendeines schnappen, sagte sich Tim, als der Seat endlich auf der langen Geraden zum Puerto war. Es muß ja nicht das beste sein. Aber sich weiterhangeln, das nächste Fadenende suchen! Was bleibt dir sonst? Selbst eine sinnlose Aktion ist noch besser als dumpfes Herumsitzen.
    Er fuhr den Wagen bis zum Hafen und starrte über die flimmernde Bucht. Es war jetzt sechzehn Uhr und sehr heiß. Mädchen in Bikinis, Männer in Shorts, Sandalen an den nackten Füßen. Frauen in Sommerkleidern am Eisstand, ganze Scharen von Kindern, deutsche Kinder, englische, französische. Und draußen in der Bucht wie bunte Schmetterlingsflügel die Segel der Surfer.
    Irgend etwas tun! Nur was …?
    Durch die Hafeneinfahrt tuckerte ein breitbäuchiger Fischerkahn. Tim stieg aus und rauchte eine Zigarette. Sie stammte aus der zweiten Schachtel dieses Tages. Die Bugwelle des grünweiß gestrichenen Bootes dort ließ die Yachten an der Mole schaukeln. Sanft klatschten kleine Wellen gegen die alten Mauern – er aber konnte sich nicht wehren gegen dieses eine Bild, das ihn verfolgte. Es hatte sich in ihm festgesetzt, obwohl er es immer wieder zu verdrängen suchte: Ein regloser Körper. Der Körper einer Frau. Irgendwo auf den Wellen schaukelnd, die ihn langsam der Küste entgegentrieben. Ein weißer Körper und langes Haar, das sich wie dunkler Seetang im Wasser bewegte …
    Er ging schneller, ging hinüber zu dem Teil des Hafens, wo das große Boot gerade hereingefahren war und an dessen Mauer die Fischerboote vertäut lagen. Die Küste absuchen? Wahnsinn! Hast du hier schon was anderes erlebt?
    Es waren alles die gleichen mallorquinischen Boote: Ein gerader Steven, ausladende Spanten. Sie sahen seetüchtig und solide aus. Er entdeckte einen jungen Mann mit dunklem Haar, der gerade dabei war, den Motor mit Dieselöl aufzufüllen.
    »Verzeihung, sprechen Sie Englisch?«
    Der Junge hatte dunkle Stoppeln an den Wangen und schneeweiße, lächelnde Zähne in einem sympathischen Piratengesicht.
    »Wenn's sein soll, auch Deutsch. Oder Mallorquin.« Er lachte. »Was kannst du machen? Wir sprechen hier alles.«
    »Könnten Sie mich ein bißchen durch die Gegend fahren?«
    »Gegend? Was verstehen Sie unter Gegend?«
    »Die Küste. Hinauf bis nach Formentor.«
    »Ne bessere Gegend also? Na gut … Kommen Sie mal. Ich fahre, wenn Sie bezahlen.«
    »Darüber machen Sie sich mal keine Sorgen.«
    »Bestimmt nicht«, sagte der junge Mann kurz, schraubte den Tankdeckel zu und ließ den Motor an. Sein Name war Tomeu und sein Stolz das Schiff, das er einem Onkel abgekauft hatte. Tomeu besaß noch ein anderes Boot, eine ›Lancha‹ mit einem starken Außenborder. Und das ganze Ding aus Gummi. Solche Schlauchboote, meine Tomeu, hätten den Vorteil, daß man sie bei Bedarf in irgendeiner Höhle verschwinden lassen konnte, ohne daß die Guardia Civil oder die Dogana, der Zoll, etwas davon merkten. Er war also Schmuggler. »Und das«, verkündete er stolz, »sind wir seit vier Generationen.«
    Tim ließ ihn reden, rauchte seine Zigarette und starrte über das Meer. »Was suchen Sie eigentlich?«
    Er nahm seine Sonnenbrille ab und bat Tomeu, noch dichter an die Küste zu fahren.
    »Geht nicht. Zu flach. Da hätte ich das Schlauchboot nehmen müssen. Hier gibt's Unterwasserfelsen. Also, was suchen Sie?«
    »Meine Frau«, sagte Tim.
    Der Junge starrte. »Ihre was?«
    »Meine Frau. Die ist verschwunden. Seit gestern.«
    »Was? Ihre Frau …« Es war immer der gleiche verständnislose Ausdruck, der überraschte, halb verlegene, halb mitleidige Blick.
    »Wieso an der Küste?«
    »Wieso, wieso? Können Sie sich das nicht vorstellen? Was soll ich denn sonst tun? Den Daumen drehen? Rumsitzen?«
    »Sie meinen, sie ist …«
    »Ich meine vieles und meine gar nichts. Aber vielleicht hat sie jemand umgebracht … Vielleicht treibt sie im Wasser? Vielleicht wird sie irgendwo angeschwemmt … Ich habe das Meer beobachtet, die Wellen kommen aus dieser Richtung, von Nordosten. Oder gibt es hier eine Strömung?«
    »Schon. Sie ist nicht allzu stark. Aber wollen Sie jetzt die ganze Küste …« Wieder dasselbe fassungslose Gesicht.
    »Solange es geht«, erwiderte Tim, »solange da noch Diesel drin ist, solange wir Licht haben, solange wir können.«
    Und das taten sie. Es war kurz nach acht, als Tim das Zeichen zum Wenden gab. Im Tank war kaum noch Treibstoff, und sie waren halbtot vor Hunger …
    Dienstag, 12 Uhr

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