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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Die Automatik hatte die Türen der Zollabfertigung geöffnet – und da war sie nun, hinter sich den aufgeregten, fröhlich durcheinanderredenden Pulk der Passagiere des Lufthansa-Flugs München-Palma de Mallorca.
    Sie war ein absolut atemberaubender Anblick. Dieses Wagenrad von Gondoliere-Hut, darunter eine Sonnenbrille, dann ein wehender Seidenmantel in wilden, bunten Herbstfarben. Sogar hohe Absätze trug sie.
    Tim schluckte: Mein Gott, und ihre Hüftarthrose?! Doch selbst die schien sie nicht im geringsten zu stören. Mit majestätischem Schritt und schwingenden Ohrringen, eine Art Mischung aus Königin von Saba und Bette Davis, rauschte sie mit ihrem Gepäckwagen an ihm vorüber.
    Tims Arm stieß nach oben: »Hallo!« brüllte er durch das Gewimmel in der Flughafenhalle. Verdammt, da hatte er ein wildes Rennen quer über die Insel hingelegt, um noch rechtzeitig die Maschine zu erreichen – und nun das!
    Helene Brandeis war stehengeblieben und winkte zurück. Er kämpfte sich näher. Sie nahm die Sonnenbrille ab, und dann gab es nur noch Puderduft und Mantelgewebe und zwei Arme, die sich um seine Schultern schlossen: »Ach, Tim! Siehst du, ich hab's geschafft. Aber wie, frag mich besser nicht. Wenn du wüßtest, was ich alles hinter mir habe. Na ja, du auch … Siehst ziemlich zerfleddert aus, mein armer Tim … Gib mir 'nen Kuß! Hab' ich verdient. Und das andere? Das wird sich schon regeln. Die holen wir uns, die Melissa!«
    »Und wo?«
    Sie setzte sich wieder das riesige, mit Straß besetzte Fünfziger-Jahre-Monstrum von Brille auf die Nase. »Jetzt brauche ich erst mal einen Kaffee.«
    Ehe er zugreifen konnte, schob sie den Gepäckwagen an. In dem riesigen, verschachtelten Kasten aus Glas und Stahl schien sie sich auszukennen wie in ihrer Handtasche. Keine zwanzig Meter weiter gab es eine Nische, in der Kaffee ausgeschenkt wurde. Die Stühle waren alle besetzt.
    »Geht nicht, Tim!« Helene Brandeis bewegte witternd den Kopf: »Ich wollte dir was zeigen. Aber hier kann ja jeder mithören …«
    »Mithören? Wer soll denn mithören? Und was?«
    »Gleich, Tim. Komm, fahren wir!«
    Sie nahmen die Autobahn nach Inca, auf der um diese Zeit ein Höllenverkehr herrschte, und fuhren gerade eine von Mandelbäumen bestandene Anhöhe hinauf, als Helene Brandeis ihn am Arm packte: »Dort drüben rechts! – Ist doch hübsch?«
    Das war es: Ein breit hingelagertes Haus, ein ehemaliger Bauernhof, der auf schweren Steinterrassen ruhte. Bougainvillea und Hängegeranien blühten am Eingang; Palmen warfen ihre Schatten über den Kies und über ein halbes Dutzend weißer Tische.
    »Mach mal den Koffer auf, Tim!« Helene Brandeis zog eine braune Mappe aus ihrem Gepäck. Es war eine äußerst vornehme lederne Mappe, deren Kante mit Gold beschlagen war. Sie legte sie auf die Mitte eines der weißen Tischchen und bestellte bei einem jungen Mädchen Kaffee. Tim verlangte Bier. Es schmeckte bitter.
    »Was soll das? Was ist da drin?«
    »Sagen wir mal, ein bißchen Vergangenheit. Ein paar Happen.«
    »Wie bitte?«
    »Als wir miteinander telefonierten, das war ja erst vor vierundzwanzig Stunden, war ich wie erschlagen. Und dann habe ich rotiert – und wie! Das heißt, erst mal habe ich meine Möglichkeiten überdacht. Ich sah zwei Richtungen, in denen diese schreckliche Geschichte verlaufen sein konnte.«
    Sie zündete sich einen Zigarillo an, den ersten seit ihrer Landung auf der Insel, sog daran mit entrückter Inbrunst und entließ eine gewaltige Rauchwolke: »Zwei Richtungen. Eine führte nirgendwo hin. Katastrophen sind nun mal Sackgassen. Katastrophen können immer passieren. Wenn du aus dem Haus trittst und dir fällt ein Ziegelstein auf den Kopf, was soll dann noch sein? Entschuldige, klingt brutal, aber ist so … Ja, und dann die andere, die bot schon eine Perspektive. Natürlich beruhte sie auf einer Annahme, und selbst das ist zuviel gesagt. Instinkt wäre das richtige Wort. Gefühlssache. Ich hab' manchmal solche Ahnungen. Als junge Frau lebte ich nur nach außen, doch jetzt, jetzt bleibt mir ja nicht viel anderes übrig, als meine Aufmerksamkeit nach innen zu richten.«
    Er wurde ungeduldig. Er nickte. »Glaub' ich Ihnen. Und?«
    »Tim, du mußt doch selbst schon daran gedacht oder dich zumindest gefragt haben, ob nicht irgend jemand, der Melissa kennt, sagen wir von früher kennt, sie hier getroffen haben könnte? Das drängt sich doch auf.«
    »Drängt sich auf? Mit diesem Quatsch rückt mir jeder hier auf die

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