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Tödliches Rätsel

Tödliches Rätsel

Titel: Tödliches Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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ganz betriebsamer Tag: Hunde und Kinder rannten umher, dichhalsige Hühner scharrten in den Misthaufen. Mit schlackernden Ohren und fettbebenden Flanken kam die Lieblingssau der Schweinhirtin Ursula schwerfällig aus einer Gasse. Das Tier blieb stehen, reckte den Rüssel empor und starrte Athelstan an. Der Ordensbruder war sicher: Wenn Schweine grinsen konnten, so grinste ihn dieses hier an.
    Gern hätte ich einen Knüppel, dachte Athelstan und trauerte im stillen um die saftigen Kohlköpfe, die das mächtige Vieh schon aus seinem Garten geerntet hatte. Statt dessen aber seufzte er, machte ein Segenszeichen über der Sau und ging weiter die Gasse hinauf.
    Die Kirchentreppe lag verlassen da. Nur Bonaventura, der große, einäugige Kater, lagerte hingestreckt wie ein dekadenter römischer Kaiser. Er öffnete das gesunde Auge, als Athelstan herankam und sich neben ihn hockte.
    »Oh du frömmster unter den Katern«, flüsterte Athelstan und rieb sanft die zerfransten Ohren des Tieres zwischen Daumen und Zeigefinger.
    Dann öffnete er die Kirchentür, trat ein und genoß die kühle, weihrauchduftende Luft. Das Kirchenschiff war leer, und Athelstan hatte ein schlechtes Gewissen, denn eigentlich hätte heute Unterricht stattfinden müssen. Er warf einen Blick auf das Ewige Licht, das wie ein kleines rotes Leuchtfeuer im Dunkeln unter der silbernen Pyx brannte, die an einer Kette über dem Hochaltar hing. Als er eben wieder die Treppe hinuntergehen wollte, schnupperte er. »Frische Farbe«, murmelte er.
    Dann fiel ihm ein, daß Huddle, der Maler, zusammen mit Tab, dem Kesselflicker, ein großes Kruzifix fertiggestellt hatte, das in dem kleinen Alkoven hinter dem Taufbrunnen hängen sollte. Athelstan ging hinüber, um es sich anzuschauen. Die Wand hinter dem Taufbrunnen war mit einem lebhaften, grellen Gemälde bedeckt worden, auf dem man sah, wie die Seelen in Form von Würmern von einem Teufel in den Feuerofen gestoßen wurden; der Teufel hatte den Körper eines Esels und den Kopf eines wilden Bocks.
    »Das ist zu wüst«, befand Athelstan bei sich, als er die Flammen auf Huddles Gemälde studierte, die schwarze Kobolde und groteske Bestien der Unterwelt verzehrten. Aber dann fesselte das neue Kruzifix seine Aufmerksamkeit. Es war riesig — mindestens drei Fuß hoch und zwei Fuß breit — und schwarz, die Gestalt Christi indessen alabasterweiß, in Todesqualen verrenkt, der Kopf mit einer Dornenkrone bedeckt und das Gesicht leidvoll verzerrt. Huddle hatte das Blut, das aus den Wunden an Händen und Füßen und in der Seite hervorfloß, leuchtend rot gemalt. Darunter stand ein Werk des Gemeinderatsvorsitzenden, des Mistsammlers Watkin: ein neuer Kandelaber aus Schmiedeeisen mit kleinen Dornen, auf denen Votivkerzen befestigt werden konnten.
    Athelstan betrachtete alles aufmerksam. »Ein bißchen zu lebendig«, fand er, aber er mußte auch Huddles vollendete Kunstfertigkeit bewundern, und er wußte, daß das Kreuz am Abend in jeder Einzelheit von den Mitgliedern des Pfarrgemeinderates begutachtet werden würde. Nachdem er das Knie vor dem Allerheiligsten gebeugt hatte, schloß er die Kirchentür und ging, gefolgt vom neugierigen Bonaventura, zum Pfarrhaus hinüber.
    Zuerst sah er nach Philomel, dem alten Schlachtroß, das er gekauft hatte. Das Pferd machte einen ganz zufriedenen Eindruck; es lehnte mit geschlossenen Augen an der Wand und kaute auf dem Rest Hafer, den es noch hatte. Athelstan ging ins Haus. Die kleine Küche und die Stube waren sauber gefegt, die Binsen auf dem Fußboden erneuert und mit Frühlingsblumen und Kräutern bestreut. Der Holztisch vor dem Küchenherd war geschrubbt, und in der Speisekammer fanden sich frisches Brot, Käse und ein kleines Glas Mus. Athelstan schloß die Augen und dankte Gott für Benedicta, die Witwe. Er ging mit den Speisen in die Stube und füllte Milch in Bonaventuras Schüssel. Der große Kater hockte sich auf den Tisch, schleckte davon und hob hin und wieder den Kopf, um seinen Herrn zu mustern. Athelstan jedoch war mit seinen Gedanken woanders. Er kaute langsam sein Brot und dachte mit halbgeschlossenen Augen an die Probleme, denen er an diesem Tag gegenübergestanden hatte. Aber der Mord an dem Geldverleiher blieb undurchschaubar.
    So denke doch nach, Athelstan. Um der Liebe Gottes willen — es muß eine Lösung geben.
    Er legte den Käse aus der Hand, schloß die Augen und stellte sich Draytons Kontor vor. Ein viereckiger, gemauerter Raum, zugänglich durch eine einzige

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