Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous
Handgriff, der unwichtig schien, aber für sie ein Dazugehören symbolisierte. Ein eigenes Büro, eine eigene Garderobe und ein eigenes Postfach. Erst jetzt fand sie Zeit, ihre neue Position in Ruhe zu überdenken. Bisher hatte sie die übliche Hektik der Zeitungsredaktion so sehr in Atem gehalten, dass sie noch gar nicht dazu gekommen war.
Jetzt am Abend hatte das Haus fast etwas Heimeliges.
Es war ein wunderbares Gefühl, keine freie Journalistin mehr zu sein. Keine Beiträge mehr redigieren für andere, von Ressort zu Ressort geschickt werden, unregelmäßig Geld verdienen. Wenn man Pech hatte, arbeitete man als Freie tage- oder gar wochenlang, ohne einen eigenen Artikel zu veröffentlichen. Wenngleich sie beim Wiener Boten einigermaßen regelmäßig beschäftigt worden war. Aber es hatte auch andere Zeiten gegeben.
Die waren nun vorbei. Auch wenn dies alles den Beigeschmack hatte, die neue Position einer toten Kollegin zu verdanken.
Sarah räumte einige persönliche Dinge in den Schreibtisch und ging die Notizen durch, die sie sich für den bevorstehenden Artikel zusammengesucht hatte. Gruber hatte ihr mehrere Zeitschriften auf den Tisch legen lassen. Die Seiten mit Artikeln über Hilde Jahn waren mit bunten Klebestreifen markiert. Wahrscheinlich wollte ihr Gruber demonstrieren, welche Phantasie die Konkurrenz bei der Berichterstattung walten ließ. Sarah legte alle Zeitschriften unbesehen auf einen Stapel und schob ihn beiseite.
Sie hatte sich vorgenommen, in die Offensive zu gehen. Irgendwann während sie mit Brenneis gesprochen hatte, war ihr diese Idee gekommen. Es gab laut Statistik etwa 28 000 arbeitslose Frauen in Wien, davon wahrscheinlich ein großer Prozentsatz über 40. Das Alter würde aus einer Auflistung aller Arbeitslosen nicht hervorgehen. Es würde viel zu lange dauern, eine solche Liste Punkt für Punkt abzuarbeiten. Und die Polizei würde wohl kaum sagen: » Guten Tag, Frau …, wir möchten Sie davon in Kenntnis setzen, dass es da draußen einer auf Sie abgesehen haben könnte. Ein Killer mit einer Waffe. Welche Waffe, wollen Sie wissen? Das können wir Ihnen nicht genau sagen, denn wir wissen es selber nicht. Bisher hat er seine Opfer auf unterschiedliche Art umgebracht. Also öffnen Sie bitte Ihre Fenster nur, wenn Sie allein in der Wohnung sind und diese zumindest im vierten Stock liegt. Betreten Sie keine verlassenen Gebäude und tun Sie auch sonst nichts, was den Täter auf Sie aufmerksam machen könnte. Danke schön und auf Wiedersehen.«
Lächerlich.
Wenn Stein das tatsächlich so machen würde, wäre er seinen Job bald los.
Aber sie, Sarah Pauli, investigative Journalistin, konnte warnen, und sie würde es tun. Stein würde ihr den Kopf abreißen, sie vierteilen und in kochendes Öl tauchen.
Aber sie würde es tun.
Sarah fühlte sich, als würde sie unentwegt mit 150 Sachen gegen eine Betonmauer rasen. Sie tippte die Headline in den Computer, » Serientäter auf Frauenjagd«, lehnte sich in ihrem Sessel zurück und betrachtete ihr Werk.
Zu aggressiv.
Sie löschte die Überschrift, stand auf, schaute aus dem Fenster hinaus. Die Mariahilfer Straße lag im gelblichen Schein der Straßenlaternen. Die Geschäfte hatten geschlossen, die Straße war nahezu menschenleer. Sie sah auf die Uhr: halb zehn. Sie musste sich beeilen, wenn sie nicht die halbe Nacht in der Redaktion bleiben wollte.
» Woran denkst du?«
Erschrocken fuhr Sarah herum. In der Tür stand Gruber.
» Ich will, dass du weißt, dass Hilde Jahn sich ihre Position erarbeitet hat und dass sie nichts mit unserem persönlichen Verhältnis zu tun hatte.«
» Hast du mich jetzt erschreckt!«
» Ich wollte nur, dass du das weißt«, sagte er.
» Warum?«
» Herbert hat mir gesagt, dass er dir die Geschichte erzählt hat. Das mit Hilde, mir und Stein. Ich wollte nicht, dass du ein falsches Bild von Hilde bekommst, nur weil …« Er brach ab.
» Ihr Privatleben geht mich nichts an, genauso wenig wie deines. Aber was mich interessiert, ist: Hat Conny dir die Fotos von Stein und Hilde einfach so auf den Schreibtisch gelegt?«
Gruber schüttelte den Kopf. » Nein. Sie hat sie mir mit der Post geschickt. Aber das bleibt unter uns, okay?«
» Und woher wusstest du, dass sie von ihr waren?«
Gruber lachte. » Du wirst mich jetzt für verrückt halten. Ich habe es gerochen. Die Duftstoffe ihres Parfüms hatten sich in das Kuvert und die Fotos gebrannt.«
» Das heißt, Conny …«
» Nein, sie weiß nicht, dass ich es
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