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Toedliches Verlangen

Toedliches Verlangen

Titel: Toedliches Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coreene Callahan
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hätte anhalten müssen, wenn er weiter so geweint hätte. Und der Seitenstreifen war kein Ort, an dem sie verweilen wollte. Nicht heute Abend. Nicht, wo sie doch Sals Restaurant schon fast erreicht hatte. Noch fünf Minuten, dann läge die schnurgerade Auffahrt hinter der nächsten Kurve.
    Das Restaurant lag am Ende der langen Straße. Es blieb unverwüstlich wie ein Pilz tief im Wald einfach stehen. Auch wenn Sal selbst schon lange tot war, trotzte das Restaurant jetzt schon in der dritten Generation jeder Veränderung. Eine alte Kneipe mit tiefen Wurzeln, ein Parasit, der sich mit aller Macht an dem kleinen Fleck neben dem engen, zweispurigen Highway festkrallte. Die Cops mochten es, hielten für eine Tasse Kaffee und ein Mittagessen Marke Herzverfettung dort an, wenn sie Streife fuhren. Was hier draußen eine Polizeikontrolle verlangte, wusste Myst allerdings nicht. Zumindest hatte sie es nicht gewusst. Bis heute Nacht.
    »Bitte mach, dass gerade einer von ihnen da ist.« Sie sang die Worte, flocht sie in ihr Schlaflied ein. Ihrem kleinen Engel machte der neue Text nichts aus. Mit einem letzten Schniefen zog er die Fäustchen unter das Kinn und schmiegte sich an sie. Ihr Herz pochte wild an seiner Wange.
    Die Straße ging bergab und dann scharf rechts. Myst trat auf die Bremse, um nicht vom Weg abzukommen. Die S-Kurve trug nicht umsonst den Namen »Totenmanns Abgrund«. Die Anwohner bezeichneten sie als »unschön«. Myst hielt das für reichlich untertrieben.
    Von metallenen Leitplanken eingefasst, fiel die Bankette links der Straße steil ab, hinunter in eine Schlucht. Aber schlimmer noch war die steile Felswand zu ihrer Rechten. Der monströse Stein schien sie zu erdrücken, er reflektierte das Mondlicht und warf so seltsame Schatten, dass Myst ihn nach versteckten Monstern absuchte.
    Mann, wie sie diese Strecke hasste. Sie hatte etwas Gruseliges, sogar am helllichten Tag.
    Als sie die erste Kurve geschafft hatte und die zweite in Angriff nahm, zwang sie sich, Luft zu holen. Nur noch ein kleines Stück. Dreißig Sekunden, vielleicht vierzig, und sie hätte das andere Ende der Schlucht erreicht, würde Sals Leuchtreklame in der Ferne flackern sehen. Sie klammerte sich ans Lenkrad. Himmel, tat ihre Hand weh. Aber wenn man es recht bedachte, alles andere auch. Ihre Rückenmuskulatur war ein einziger Krampf. Ihre Beine zitterten vor Anstrengung. Und ihr Kopf? Der Schmerz war so stark, dass ihr ganzer Schädel pulsierte.
    Die Scheinwerfer verließen die Straße und verloren sich in der Dunkelheit hinter der schmalen, stählernen Leitplanke. Myst sehnte sich danach, dass die Einfassung ein Ende nahm, sie wie auf Schienen aus der Kurve herausschob und dann losließ. Der Druck in ihrem Kopf nahm zu, das Summen in ihren Ohren wurde mit jeder unerbittlichen Drehung der Räder lauter. Und dieses Vibrieren …
    Myst richtete sich auf und lauschte. Das Radio war ausgeschaltet, sie konnte das Rasseln ihres eigenen Atems hören. Die Räder sangen auf dem Asphalt, während sich eine seltsame Stille auf sie herabsenkte und sie einhüllte, bis sie darin zu schweben schien. Ihr Magen sackte nach unten, und sie hatte plötzlich das Gefühl zu fallen.
    Verdammt. Sie hatte sie gar nicht abgehängt. Bastian war irgendwo dort draußen.
    Aber … wo?
    Sie war sich nicht ganz sicher. Ihr neu entdeckter Drachenradar war zwar auf Empfang, sorgte aber lediglich dafür, dass sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. Zu dumm. Sie hätte eine genauere Angabe durchaus brauchen können. Zu wissen, wohin sie ausweichen müsste – wie sie reagieren sollte –, wäre ein Geschenk Gottes gewesen.
    Ohne den Kopf zu drehen, spähte Myst aus dem Seitenfenster. Sie wollte sich nichts anmerken lassen, falls Bastian sie beobachtete. Sie brauchte nur noch zehn Sekunden für die letzte Kurve, dann könnte sie hoch zu Sals rasen. Wenn sie ihr Blatt jetzt offenlegte – ihm verriet, dass sie wusste, dass er da war –, würde er sie vielleicht von der Straße in den Abgrund stoßen, bevor sie die Auffahrt erreichte.
    Sie hielt das Lenkrad fest umklammert und starrte durch die Frontscheibe in die Dunkelheit, behielt die Seiten aber aus den Augenwinkeln im Blick. Wenn er auftauchte, zuschlug, würde sie …
    Etwas kratzte über das Dach ihres Wagens. Eine Sekunde später sah sie eine dunkle Flügelspitze an ihrem Seitenfenster. Metall quietschte und bog sich durch, dann gab es unter den rasiermesserscharfen Krallen nach. Mit einem »O scheiße«

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