Toedliches Verlangen
Mikro-Mini. Genau wie die anderen beiden. Mac hatte recht. Es war derselbe Kerl. Und er hatte ein Beuteschema.
Sie sah kurz zur Seite, fing Macs Blick auf. »Militär? Warum bist du dir so sicher?«
»Ich habe mal was Ähnliches getragen.«
Bei den SEALs, der Navy-Spezialeinheit. Er musste nicht s sagen, Angela wusste auch so, was er dachte. Sie kannte seine Militärvergangenheit. Vor ihrer zweiten gemeinsamen Schicht hatte sie sich ins Archiv geschlichen, um seine Akte zu lesen – auch wenn sie ihren Job los gewesen wäre, wenn es jemand bemerkt hätte.
Sie biss sich auf die Unterlippe, stützte die Ellbogen auf die Knie und zwang sich, das Mädchen wieder anzusehen … ihre Wut über den sinnlosen Mord beiseitezuschieben und zu tun, wozu sie hier war.
Wie bei den vorigen Opfern gab es keine äußerlichen Anzeichen eines Kampfes. Und etwas sagte ihr, dass sich auch Hannah Gains’ Autopsiebericht lesen würde wie die anderen beiden auf ihrem Schreibtisch: Penetration, aber kein Sperma, also keine brauchbare DNA ; Quetschungen am unteren Rücken und im Nacken, Blutergüsse an der Kehle. Und die Todesursache würde multiples Organversagen lauten, systematischer Zusammenbruch aller Funktionen … Herz, Lungen, Leber, Nieren und ganz zum Schluss das Gehirn.
Bisher war der einzige Unterschied, den Hannahs Ermordung aufwies, die Abwesenheit eines Aschehaufens. Die anderen beiden Mädchen waren praktisch direkt daneben abgelegt worden. Die Laborergebnisse standen noch aus, aber der Chefpathologe hatte eine erste Vermutung ausgesprochen: eingeäscherte menschliche Überreste.
Angela blickte die Gasse hinunter, starrte in Schatten und Nebel und fragte sich, ob sie die Asche wohl am anderen Ende finden würden. Heilige Scheiße. Mit was für einem kranken Typen hatten sie es hier zu tun? Ein Mädchen umzubringen … und ihm eine verbrannte Leiche als Gesellschaft dazulassen? Es ergab keinen Sinn, aber das tat die Ermordung unschuldiger Frauen auch nicht. Also, was zur Hölle wusste sie schon?
Sie wischte sich die Handflächen an der Hose ab und sagte: »Unser Junge erhöht den Einsatz … ziemlich schnell. Es ist erst elf Tage her, dass er das letzte Mal zugeschlagen hat.«
Ihr Partner nickte, als sein Handy sich meldete. »Highway to Hell« zerriss die Nachtruhe. Er zog es aus dem Gürtel und würgte den Song ab, indem er es aufklappte. »MacCord.«
Angela wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Leiche zu. Sie dachte über den Stiefelabdruck nach. Vielleicht war das der entscheidende Hinweis, den sie brauchten. Nicht viele Männer trugen Schuhgröße achtundvierzig, und nach den Fundorten der Leichen zu urteilen, mochte er die Clubszene. Also …
»Gottverfluchter Scheißdreck. Wo?«
Beim Klang von Macs Stimme richteten sich ihre Nackenhaare auf. Sie kam auf die Beine, sah ihm ins Gesicht und bemerkte den Zorn in seinen Augen. Mist. Sein Tonfall und dieser Gesichtsausdruck verhießen nichts Gutes. Irgendetwas Schlimmes war passiert.
Mit harter Miene begegnete Mac ihrem Blick und lauscht e angestrengt dem Wortschwall, der laut, für sie aber unverständlich aus dem Handy drang. Sie ging zu ihm hinüber und deutete mit dem Kinn auf das Gerät. »Was?«, fragte sie tonlos.
Er schüttelte den Kopf, hörte noch kurz zu, dann sagte er: »Fassen Sie verdammt noch mal nichts an. Die Spurensicherung kümmert sich darum. Wir sind in vierzig Minuten da.«
Sobald er sein Handy zuschnappen ließ, sagte Angela: »Schieß los.«
»Totes Mädchen. Vermisstes Baby. Zwei Haufen Asche im Wald neben der Route Eighteen. Der Captain hat sich gedacht, der Fall hätte vielleicht etwas mit unserem zu tun und der örtlichen Polizeidienststelle gesagt, sie solle sich mit mir in Verbindung setzen.« Er vergrub die Hand in der Vordertasche seiner Jeans und warf ihr die Schlüssel seines X-Trails zu. »Du fährst.«
Dank ihrer schnellen Reflexe fing sie das Harley-Davidson- Schlüsselband auf, bevor es zu Boden fiel. Sie setzte sich in Bewegung und folgte Mac aus der Gasse. Keine Frage. Sie fahren zu lassen war eine gute Idee. Sie bewegten sich auf ein Schlachtfeld zu, und ihr Partner war jetzt schon total angepisst.
10
Die leuchtenden Kugeln an der Höhlendecke glichen einer Lightshow. Mit dem Rücken noch immer gegen ihr Auto gepresst – Bastian ragte vor ihr auf wie der Rächer der Enterbten –, warf Myst einen kurzen Blick nach oben und betrachtete die Lampions. Einige waren groß, andere klein, wie ein Schwarm Quallen schwebten
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