Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
habe ihn nicht gesehen.«
»Haben Sie Haustiere?«
»Tropenfische. Ich habe ein Aquarium.«
Ich stellte mir vor, wie Forbes allein in seiner Festung aus nutzlosen Zeitungen und alten Büchern saß und seine bunten Fische im Aquarium anstarrte. Für ein warmblütiges Haustier schien er viel zu arrogant.
»Was machen Sie beruflich, Travis?«
»Ich bin Kellner.«
»Wo?«
»In einer Kneipe namens Lion’s Pub . Auf dem Broadway, in der Nähe der Columbia-Universität.«
»Seit wann?«, fragte ich.
»Seit mir vor eineinhalb Jahren das Geld fürs Studium ausging. Ich bin Neurobiologe. Das heißt, das werde ich sein, wenn ich das Studium beendet habe.«
»Was sind Ihre Arbeitszeiten?«
»Von acht Uhr abends, bis wir schließen. Vier Uhr morgens.«
»Und letzte Nacht?«, fragte ich.
»Genauso«, sagte Travis, während ich seinen ausdruckslosen Blick zu durchdringen versuchte. »Was hat das mit meinem Bruder zu tun?«
Ich war so erschöpft, dass ich überall nur noch Verdächtige sah. Falls Travis Forbes Zugang zur Bibliothek hatte, so wie früher sein Bruder, dann hätte er Tina am Mittwochabend in der Restaurierwerkstatt aufsuchen und gestern Nacht die Leiche wegschaffen können. Aber wenn sein Alibi dicht war, dann konnte er nicht der Anrufer mit dem makabren Lachen auf Tinas Handy gewesen sein, der gestern Nacht zum Zeitpunkt des Leichenfunds an der Straßenecke gestanden hatte, wo er uns sehen konnte.
»Kennen Sie eine junge Frau namens Tina Barr?«, fragte Mike.
»Wen?«
»Eine Freundin Ihres Bruders.«
»Eddy ist viel älter als ich. Wir hatten nicht denselben Freundeskreis.«
»Sie hat mit ihm zusammengearbeitet«, sagte Mike. »Eine Restauratorin. Sie hat seltene Bücher und alte Landkarten repariert.«
»Ich weiß, was eine Restauratorin macht, Detective.« Travis wurde mit jeder Frage mürrischer. »Fragen Sie Eddy. Sie haben doch bestimmt seine Nummer.«
»Wie wär’s, wenn Sie sie mir geben, für alle Fälle.« Der Exsträfling hatte wahrscheinlich zwei Nummern - eine für seinen Bewährungshelfer und eine für Freunde und Angehörige.
»Da muss ich ihn zuerst fragen, ob ihm das recht ist.«
»Ich warte.«
»Aber nicht hier drinnen.« Travis nahm die Hände aus den Taschen, um die Wohnungstür zu schließen.
Mike versuchte das Gleichgewicht zu halten, indem er sich mit der linken Hand am Türstock festhielt
und mit der rechten nach Travis Forbes’ Handgelenk fasste. »Entschuldigung. Wir gehen ja schon.«
Als Travis Mikes Hand abschüttelte, sahen wir beide die Schnittwunden auf seinem linken Handrücken. Ein Heftpflaster verdeckte nur notdürftig einige lange, rotgeränderte Striemen.
»Was sind das für Kratzer, Kumpel?«, fragte Mike. »Haben Ihre Fische Fangzähne?«
Der junge Mann mit der leisen Stimme legte seine gesunde Hand über die Stelle. »Lassen Sie mich in Ruhe.«
»Sie sollten das untersuchen lassen«, sagte Mike. »Das könnte eine böse Infektion geben. Ich kenne einen Arzt, der es sich anschauen kann.«
Mike wollte, genau wie ich, die Verletzung sehen und deren Größe und Form mit den Spuren an Tina Barrs Hals vergleichen. Vielleicht hatte sie versucht, sich mit einem der scharfen Werkzeuge auf ihrem Arbeitstisch zu verteidigen.
»Ich habe es schon behandeln lassen«, sagte er und steckte beide Hände wieder in die Hosentaschen.
»Von wem?«
Wir hörten Schritte auf dem Treppenabsatz über uns. Gleich würde Shalik wieder auftauchen, um für Ms Jenkins einkaufen zu gehen.
»Woher haben Sie diese Schnittwunden?«, fragte Mike. »Ist Ihnen beim Arbeiten ein Steakmesser ausgerutscht? Ich will Ihnen ja nur helfen.« Jetzt verhinderten nur noch Mikes Finger am Türstock, dass Travis die Tür schloss. »Wer hat Ihnen diese Verletzungen zugefügt?«
Shalik hockte sich auf eine Treppenstufe und steckte die Nase durch die Stäbe des Geländers. Travis Forbes schwieg.
Shalik zischelte etwas vor sich hin. Forbes riss den Kopf herum und sah zu ihm hoch.
»Sei still, Junge«, sagte Mike. »Ich frage Sie noch einmal, Travis. Andernfalls wird mir Ms Cooper hier einen Gerichtsbeschluss besorgen, damit wir Ihre Hand fotografieren können. Wer hat Ihnen diese Schnitte verpasst?«
»Er selbst.« Shalik wiederholte die Worte, die ich beim ersten Mal nicht verstanden hatte. »Schauen Sie in seine Taschen, Mann. Er macht es im Sommer manchmal nachts, draußen auf den Stufen vorm Haus. Echt meschugge, der Typ.«
»Einen Gerichtsbeschluss wofür?« Travis Forbes zog seine
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