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Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy

Titel: Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy Kostenlos Bücher Online Lesen
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meine Schwester Edith ein ganz besonderes Buch geschenkt. Ich erinnere mich noch gut daran, weil ich fürchterlich neidisch war, als sie damit in die Wohnung zurückkam.«
    »Was war es?«
    »Vielleicht können Sie sich ja einen Reim darauf machen«, sagte Eliot. »Wegen Ihres Berufs, meine ich. Damals hat ja keiner über solche Dinge gesprochen. Es war eine Ausgabe von Alice im Wunderland . Eine besonders prunkvolle Ausgabe.«
    Mercer und ich sahen uns über Jane Eliots Kopf hinweg an.
    »Prunkvoll?«, fragte er. »Wie meinen Sie das? War sie alt?«
    »In der Tat - alt und mit diesen wunderbaren Zeichnungen von John Tenniel. Es war eine Ausgabe von 1866.«
    Ich dachte an den Bestellschein, den wir bei Tina Barr gefunden hatten.
    »Hatte es vorher der Bibliothek gehört?«, fragte ich.
    »Diese spezielle Ausgabe nicht, soweit ich weiß. Unsere Geschenke waren meistens Spenden der einzelnen Kuratoriumsmitglieder. Von Zeit zu Zeit wurden natürlich auch Bücher aus dem Bibliotheksbestand veräußert, meist im Gegenzug gegen eine begehrtere Ausgabe. Aber wir wussten, wenn das der Fall war. In den Büchern standen die Namen der jeweiligen Bibliothekszweigstellen, und die waren durchgestrichen, sodass wir wussten, dass das Buch
ausrangiert worden war und wir keinen Ärger bekommen würden.«
    »Ediths Geschenk klingt nach etwas ganz Besonderem.«
    »O ja. Das war offensichtlich. Es hatte einen wunderschönen roten Ledereinband, mit Goldlettern auf dem Buchrücken und Goldverzierungen auf dem Umschlag. Und es war riesig - ein so großes Buch hatten wir noch nie bekommen.« Jane Eliot ließ meinen Arm los und zeichnete die Umrisse in die Luft. »Sie wissen schon, eine Art Doppelfolio, wenn Sie sich mit den Maßen auskennen.«
    »Ich kenne andere frühe Ausgaben, aber keine in Übergröße.«
    »Sie haben recht. Das Manuskript selbst war von durchschnittlicher Größe für ein illustriertes Buch der damaligen Zeit. Aber diese spezielle Ausgabe war auf größere Pergamentseiten aufgezogen und in diesen Folianten gebunden worden, weil er auch seltene Fotos enthielt, die Charles Dodgson - Sie wissen schon, Lewis Carroll - von der jungen Alice gemacht hatte.«
    »Die Fotografien waren in dem Buch?«, fragte ich.
    »Hinten im Buch war eine Tasche aufgesetzt. Dort waren die Fotos. Man konnte sie rausnehmen und ansehen, und wir haben sie auf dem Wohnzimmerboden ausgelegt. Deshalb hat Edith ja auch Ärger mit meiner Mutter bekommen.« Sie schlurfte über den Krankenhausflur, während sie redete.
    »Warum?«, fragte ich.
    »Das Buch war nicht das Problem. Wir alle hatten die Geschichte schon Dutzende Male gelesen. Aber diese Fotos? Meine Güte. Es muss einige Wochen nach Ediths Geburtstag gewesen sein, als Mutter das Bild fand, auf dem das Kind als Bettlermädchen verkleidet
war, mit nackten Schultern. Wissen Sie, welches ich meine?«
    »Ja, Ms Eliot. Es ist ein sehr berühmtes Bild.«
    »Nun, es hat meine Mutter davon überzeugt, dass Dodgson pädophil gewesen sein musste. Sie wollte nicht, dass wir ein Foto von einem kleinen Mädchen anschauten, das sich so präsentierte.«
    »Alex hat mir gerade erst von ihm erzählt«, sagte Mercer. »Ich hatte vorher noch nie davon gehört.«
    »Was hat Ihre Mutter getan?«, fragte ich.
    »Wir haben das Buch erst wieder zu Gesicht bekommen, als sie auf dem Totenbett lag. Als Erstes nahm sie Edith das Buch weg, was an sich schon Aufregung genug war. Dann bat Mutter einen Kurator in der Kinderbuchabteilung, Nachforschungen über Dodgson anzustellen. Sie erfuhr, dass Alice Liddells Mutter sich mit ihm überworfen und die gesamte Korrespondenz zwischen ihm und Alice zerrissen hatte. Das regte meine Mutter nur noch mehr auf.«
    Mercer überlegte, wie er seine Frage in Worte fassen sollte. »Weil sie dachte, dass er …?«
    »Unschicklich gewesen war, Sir. Anders haben wir es damals nicht genannt. Mrs Liddell fand die Briefe, die er ihrer Tochter geschickt hatte - Sie dürfen nicht vergessen, dass Alice damals erst elf oder zwölf Jahre alt war und er ein erwachsener Mann -, und zerriss sie. Das ist belegt. Als Dodgson starb, hinterließ er dreizehn Bände mit Tagebuchnotizen. Ein Protokoll seines gesamten Lebens. Aber jemand in seiner Familie schien sich über den Inhalt Sorgen zu machen und hat die vier Jahre, die seine Freundschaft mit Alice dokumentieren, komplett vernichtet.«
    »Also hat Ihre Mutter das Buch konfisziert«, sagte ich.

    »Ja, umgehend. Die arme Edith. Sie bekam einen richtigen

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