Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
mit dem Finger auf jedes einzelne Haus. »Backsteinbauten wie diese hier wurden rosa markiert. Gewerblich genutzte Gebäude
grün. Und hier, sehen Sie die gelben hier unten? Das sind Holzhäuser - feuergefährdeter und daher versicherungstechnisch schlechter eingestuft.«
»Warum ist das hier sowohl rosa als auch gelb?«, fragte Mike.
»Das ist ein Brownstone, mit einer Holzveranda auf der Rückseite. Behalten Sie die Information für später im Kopf«, sagte Bea. »Vorher erzähle ich Ihnen noch, warum man diese Häuser hier gebaut hat.«
»Wir sind ganz Ohr.«
»Jasper Hunt - der Urgroßvater von Tally und Minerva - wollte eine Wohnung für seine Geliebte. Nicht weit von der Fifth Avenue, aber auch nicht so nahe, dass seine Frau ihr Parfüm riechen konnte«, sagte Bea.
»Na, na, woher wollen Sie das denn wieder wissen?«, fragte Mike und tätschelte ihr den Rücken.
»Ich habe einen Bibliotheksausweis, Mr Chapman. Er erweist mir gute Dienste. Auch damals gab es schon Klatschblätter. Diese Zeile hier bestand aus fünf Gebäuden. Das hier, in dem wir uns gerade befinden, wurde als Erstes fertiggestellt, als Nächstes kam das Haus nebenan für die Mutter seiner Geliebten. Die junge Dame war klug genug, darauf zu bestehen. Die restlichen drei waren nicht ganz so luxuriös, aber sie waren auch nur für die Dienstboten und Angestellten gedacht.«
»Minerva brachte hier im Souterrain noch immer vorzugsweise die Bediensteten unter«, kommentierte Mercer.
»Die nächste bauliche Veränderung fand 1912 statt.« Bea legte die nächste Karte obenauf. »An der Rückseite des Hauses wurde etwas sehr Interessantes angebaut.«
»Was denn?«, fragte Mike. »Kann man es sehen?«
»Schauen Sie genau hin. An einer Seite des rosa markierten Hauses ist ein kleines schwarzes Rechteck.«
»Ich seh’s«, sagte Mike. »Was bedeutet das?«
»Das heißt, dass ein Anbau vorgenommen wurde - feuerfest und wasserdicht. Das besagt der schwarze Farbcode. Aber der Anbau ist nicht so tief wie das Souterrain, in dem wir uns jetzt befinden. Das zu wissen war sehr hilfreich für mich.«
»Warum?«, fragte ich.
»Erinnern Sie sich noch daran, dass Mike mich gestern bat, das Treffen mit den Leuten vom Straßenverkehrsamt abzusagen? Sie wollten sich die sogenannte Viele-Karte ansehen, und das brachte mich auf die Idee, mir diesen Ort hier auf dieser Karte anzusehen.«
»Sie sind die Kartenexpertin«, sagte Mike. »Ich tue mein Bestes, Ihnen zu folgen.«
»Ich mache es Ihnen einfach.« Sie nahm ein dickes Blatt aus ihrer Aktentasche und entfaltete es. Es war eine Kopie einer bunt kolorierten topografischen Karte von Manhattan. »Sehen Sie da? Egbert Viele, 1865.«
Auf der Karte war das Straßennetz der Insel Manhattan zu sehen, aber ohne Wohnhäuser oder sonstige Gebäude. Stattdessen zeigte es, von der Süd- bis zur Nordspitze, eine Stadt voller Teiche, natürlicher Quellen und Wasserläufe aus der Zeit, bevor die Insel bebaut und bevölkert wurde.
»Das hier ist Greenwich Village«, sagte Bea. »Hier sehen Sie den Minetta-Bach, der unterhalb des Washington Square verläuft. Und hier ist ein Bach, direkt unter dem Broadway auf Höhe der 20. Straße. Diese blaue Linie, da oben in Harlem, bei der 140. Straße, ist ebenfalls ein Wasserlauf.«
Sie lenkte mit der Fingerspitze unseren Blick zur First Avenue, östlich der Hunt-Häuser. »Und das da, Freunde, ist ein unterirdisches Wasserbecken - zweifelsohne auch heute noch. Der Bach, der davon weggeht, verläuft direkt unter unseren Füßen. Man kann diese Wasserläufe heutzutage unmöglich nachverfolgen, aber jeder Architekt in der Stadt benutzt nach wie vor diese Karte - eine Art Röntgenaufnahme der Insel - um herauszufinden, wo bei Überschwemmungen das Wasser herkommt.«
»Und was schließen Sie daraus, Sherlock?«, fragte Mike die zierliche Bibliothekarin.
»Elementar, Mike, elementar«, sagte sie. »Wem gehörten die Häuser im Jahr 1912?«
»Ihre Quellen, was die Hunts angeht, sind besser als meine«, sagte Mike.
»Jasper junior hatte gerade sein Erbe angetreten. Vergessen Sie nicht, er hatte 1905 auf seiner Weltreise die europäischen Fürstentümer besucht. Glaubt man den damaligen Boulevardblättern, machte Junior 1912 dort weiter, wo sein Vater aufgehört hatte. Die Mätresse seines verstorbenen Vaters musste nebenan bei ihrer Mutter einziehen, und er brachte seine eigene Geliebte hier in diesem Haus unter.«
Was hatte Minerva über die Vorlieben der Männer ihrer Familie
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