Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
Sie falsch, Ma’am. Was sind fünfundfünfzig Meilen pro Stunde? Ich verlasse mich darauf, dass ihr nach dem Essen euer Geld rausrückt. Da man für diese Geschwindigkeit eine lange, ununterbrochene Beschleunigungsphase braucht, wird sie selten erreicht, aber theoretisch ist die U-Bahn dafür ausgelegt. Als ich klein war, hat mich mein Vater manchmal vorn im Fahrerhaus mitgenommen. Das war toll. Bei euch da draußen in den Vororten gibt’s ja keine U-Bahn, Kid. Das ist eins deiner Probleme.«
Ich hatte eine privilegierte Kindheit in Westchester County gehabt, die ich der liebevollen Unterstützung meiner Eltern Maude und Benjamin Cooper verdankte - ebenso wie mein Studium am Wellesley College und an der juristischen Fakultät der Universität von Virginia. Meine Mutter, die Krankenschwester war, hatte mir außer ihren langen Beinen und grünen Augen auch etwas von ihrem ungewöhnlichen Einfühlungsvermögen vermacht. Und der wertvolle Beitrag zur Herzchirurgie, den mein Vater zusammen mit seinem Partner in Form eines kleinen Plastikventils namens Cooper-Hoffman-Ventil geleistet hatte, hatte mich mit Vermögenswerten materieller Art ausgestattet. Aber trotz unserer unterschiedlichen Herkunft waren
Mike Chapman und Mercer Wallace meine besten Freunde.
»Zum Glück ist es heute schon viel zu spät, um dich nach meinen anderen Problemen zu fragen.« Ich schob den Suppenteller beiseite und konzentrierte mich auf meinen Scotch. Der Anblick von Karla Vastasis zertrümmertem Schädel würde mich noch die ganze Nacht verfolgen.
»Heute wird nicht mehr auf dir herumgehackt«, sagte Mercer. »Sobald Mike aufgegessen hat, bringe ich dich nach Hause.«
Meine Gefühle für Mike waren im Laufe der Jahre komplizierter geworden. Seine Späße und sein Humor halfen mir, die schlimmsten Situationen durchzustehen - zum einen zutiefst traumatische Erlebnisse wie heute Abend, aber auch tatsächlich lebensbedrohliche Momente, wenn wir es mit geistesgestörten Mördern zu tun hatten. Manchmal fragte ich mich, ob ich mir meine Anziehung für ihn deshalb nicht eingestand, weil ich unsere produktive berufliche Beziehung nicht gefährden wollte.
»Ich bin morgen Vormittag bei der Autopsie«, sagte Mike. Es gehörte zu seinen Aufgaben, an dem rechtsmedizinischen Verfahren teilzunehmen. »Rufst du mich an, wenn du mit Battaglia fertig bist?«
Ich stand auf. »Klar.«
»Ich hoffe, das Leichenschauhaus ist gut versichert.« Mike nahm einen letzten Schluck. »Egal ob die Mordwaffe oder der kleine Psalter - bei solchen Ködern beißen noch die Toten an.«
9
Ich war überrascht, als ich in Battaglias Büro Stimmen hörte. Auch wenn er mich für acht Uhr zu sich bestellt hatte, war ich davon ausgegangen, vor ihm da zu sein. Rose Malone saß noch nicht an ihrem Schreibtisch, und so bog ich einfach um die Ecke und ging direkt zu ihm ins Büro.
Der Bezirksstaatsanwalt, eine Zigarre zwischen den Fingern, hielt mitten im Satz inne. »Immer herein, Alexandra. Wenn Sie diese verdammte Kaffeemaschine zum Laufen kriegen, dann können wir anfangen. Jill, darf ich Ihnen Alex Cooper vorstellen?«
»Guten Morgen, Alex. Ich bin Jill Gibson.«
Ich ging hinter den Konferenztisch, an dem die beiden saßen, maß Kaffeepulver ab und schaltete den Automaten ein. Dabei wurde mir wieder einmal bewusst, wie sehr Rose Battaglia verwöhnt hatte.
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Jill.
Battaglia hatte die Boulevardblätter vor sich ausgebreitet. Ich hatte unterwegs ebenfalls ein paar Zeitungen besorgt und festgestellt, dass der Mord an Karla Vastasi in einem Absatz ganz am Ende des Nachrichtenteils versteckt war. Aufgrund des sozialen Rangunterschieds zwischen der Millionenerbin und ihrer Haushaltshilfe hatte man die Meldung erst einmal hintangestellt, sodass wir den Fall zunächst ohne Medienrummel bearbeiten konnten.
»Jill ist eine alte Freundin, Alex. Sie war bis vor zwei Jahren Direktorin der Beinecke-Bibliothek für seltene Bücher an der Yale-Universität«, sagte er. »Jetzt ist sie stellvertretende geschäftsführende Leiterin der New York Public Library - die erste Frau,
die es in diese dritthöchste Position in der Bibliothek geschafft hat.«
»Ich bin beeindruckt.«
Jill Gibson strahlte eine ruhige Eleganz aus. Sie war Mitte fünfzig, hatte eisgraue Haare und ein ungezwungenes Lächeln.
»Schildern Sie uns doch bitte, was letzte Nacht vorgefallen ist«, sagte Battaglia und steckte sich die kalte Zigarre in den Mund. »Das geht schon in
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