Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
Keats zum Beispiel - die beiden haben ihre Bücher mit Randnotizen versehen. Wenn man sie liest, sieht man, was ihnen wichtig war und wie es ihren schöpferischen Prozess beeinflusst hat.«
»Papier zerfällt, Ms Cooper. Bücher zerbröseln, es sei denn, sie befinden sich in einem geschützten Umfeld, so wie ich es ihnen hier bieten kann.«
»Es gibt Dinge, die wird uns ein Computer nie sagen können. Ich erinnere mich daran, wie ich damals im Lesesaal jeden Tag an meinem gewohnten Platz saß, immer neben demselben ruhigen Typen. Er war Medizinhistoriker und erforschte die Geschichte von Krankheitsausbrüchen im England des achtzehnten Jahrhunderts.« Ich sprach eher zu Mercer und Mike als zu Jonah Krauss, der mit dem Packen seiner Aktentasche fortfuhr. »Ich begriff nicht, warum er immer an den Blättern und Seiten schnüffelte. Ich fand das sehr seltsam.«
»Hast du ihn ins Kreuzverhör genommen?«, fragte Mike.
»Auf die sanfte Tour. Er erzählte mir, dass er Briefe
las, die aus einem Archiv in den Cotswolds kamen. Damals besprenkelten die Leute ihre Briefe mit Essig, um sie zu desinfizieren und dadurch die Ausbreitung der Cholera zu verhindern. Auf manchen alten Dokumenten konnte er noch immer den Essig riechen.«
»Eine sehr romantische Vorstellung, Ms Cooper, aber das ist nicht die Zukunft. Würden Sie mich dann freundlicherweise in mein Wochenende entlassen?«
»Worauf gründen Ihre Meinungsverschiedenheiten mit den Hunts?«, fragte Mercer.
»Hören Sie, Detective. Wir haben das Kriegsbeil begraben. Die Sache liegt fast fünf Jahre zurück. Ich vermute, Jasper ist darüber hinweg. Aber Sie sollten Tally im Auge behalten. Meiner Ansicht nach würde er auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen, um sich das Erbe seines Vaters unter den Nagel zu reißen.«
Ich dachte an das edelsteinbesetzte Buch, das man bei Karla Vastasis Leiche gefunden hatte. Nach Aussage von Minerva Hunt wurde es nach dem Tod ihres Großvaters an die Bibliothek übergeben, aber laut Exlibris gehörte es Talbot Hunt. »Wie kommen Sie darauf?«
»Als ich mich vor fünf Jahren dafür einsetzte, ein Gemälde von Asher Durand zu verkaufen, hatte es Jasper Hunt buchstäblich auf mein Leben abgesehen.« Jonah Krauss stützte sich mit den flachen Händen auf den Schreibtisch. »Sie können den Polizeipräsidenten fragen. Ich stand rund um die Uhr unter Polizeischutz.«
»Alles nur wegen eines Gemäldes?«, fragte Mike. »In dieser Bibliothek geht’s ja heißer her als in einer Crackhöhle in Bedford-Stuyvesant.«
»Ein sehr berühmtes Gemälde, Detective. Mit dem Titel Verwandte Geister .«
»Was ist daran so lebensbedrohlich?«
»Es gehörte zu den heiligen Kühen der Bibliothek, Mr Chapman. Mein Ausschuss entschied sich zum Verkauf, und ich dachte, offen gesagt, das Kuratorium würde es einfach absegnen. Wie sich herausstellte, hatte ich mich geirrt.«
»Warum?«
»Durand ist einer der Hauptvertreter der von Thomas Cole begründeten Hudson River School. Landschaftsmalerei. Coles bester Freund war der Dichter William Cullen Bryant«, sagte Krauss.
»Bryant Park?«, fragte Mike.
»Ganz genau. Cole und Bryant waren führende Persönlichkeiten im öffentlichen und kulturellen Leben von New York.«
»Warum befand sich das Gemälde überhaupt in der Bibliothek und nicht in einem Kunstmuseum?«, fragte ich.
»Langsam begreifen Sie’s, Ms Cooper. Bryants Tochter hatte das Gemälde 1904 der Lenox-Bibliothek vermacht. Als dann die New York Public Library eröffnet und der Park nach ihrem Vater benannt wurde, fand man, das Bild sei dort am besten aufgehoben. Aber es wurde nur von einem dunklen Flur in den nächsten geschoben. Meiner Ansicht nach hatte es dort überhaupt nichts verloren.«
»Also beschloss Ihr Komitee, es zu verkaufen. Gab es eine Versteigerung?«
»Das war auch noch so ein Problem«, sagte Krauss. »Wir haben keine öffentliche Versteigerung abgehalten. Wie Sie wissen, ging das Stiftungsvermögen nach dem elften September, wie bei den meisten Kultureinrichtungen, auch bei uns rapide zurück. Wir dachten, dass wir durch den Verkauf einiger Kunstwerke
etwas Geld flüssig machen könnten, um Bücher zu kaufen, die auf unserer Wunschliste standen. Schließlich sind wir eine Bibliothek.«
»Also gab es stattdessen eine stille Auktion?«
»Ja. Sotheby’s fungierte als Vermittler, und die Interessenten wurden gebeten, ihre Gebote schriftlich abzugeben.«
»Wie viel hat das gebracht?«, fragte Mike.
»Fünfunddreißig
Weitere Kostenlose Bücher