Toedliches Versprechen
zu schnell. Sie war noch nicht bereit für das, was er wahrscheinlich von ihr erwartete. Wie sie es von ihren bisherigen, zugegebenermaßen recht spärlichen, Erfahrungen kannte, würde er das Interesse verlieren, wenn sie ihn zu lange hinhielt. Aber das war nun mal ihre Art.
Josh schob ein Glas Rotwein neben ihre Hand und vergrößerte den Abstand zwischen ihnen. Erleichtert atmete sie auf, auch wenn sie seine Nähe absurderweise bereits vermisste. Sie trank einen großen Schluck Wein, um ihre Nerven zu beruhigen. Die Flüssigkeit glitt wie Samt über ihre Zunge, schmeckte nach Sonne, wilden Beeren und Wind. Unauffällig warf sie einen Blick auf das unscheinbare Etikett. Sie hatte noch nie einen derart guten Wein getrunken.
Josh bemerkte ihren Blick und schenkte ihr ein weiteres Grinsen.
»Der Wein ist toll.« O Mann, wie dümmlich konnte man klingen.
»Stimmt, mein Lieblingsrotwein. Ein Freund von mir baut ihn an.«
»Aha.« Noch ein dämlicher Kommentar. Mit einer brüsken Bewegung stellte Hannah das Glas ab und widmete sich wieder der Dinnervorbereitung.
Sie war erstaunt, wie ungezwungen und locker der Abend mit Josh verlief. Er saß ihr an ihrem kleinen Esstisch entspannt gegenüber. Zwischen ihnen flackerten zwei Kerzen.
Seine Tischmanieren waren tadellos. Er lobte ihre gefüllten Champignons, die es als Vorspeise gab, das Hühnchen in Oliven-Mandel-Kruste mit Süßkartoffelgratin und zum Nachtisch ein Tiramisu. Als sie aufstand, um den Tisch abzuräumen, drückte er sie auf ihren Stuhl zurück. »Du bleibst sitzen und genießt deinen Wein.«
Ihren Protest erstickte er mit einem sanften Kuss. »Keine Widerrede. Du hast gekocht. Ich räume ab.«
Hannah sah ihm dabei zu, wie er durch ihre Küche wirbelte, aufräumte und Geschirr in die Spülmaschine stapelte. Als er zu ihr zurückkehrte, begannen die Schmetterlinge in ihrem Bauch den Gangnam-Style zu tanzen. Josh verführte sie, da war sie sich sicher. Er gab ihr das Gefühl, zwischen ihnen liefe alles leicht und locker. Und doch verführte er sie. Mit allem was er tat, wie er sich bewegte, wie er sie mit diesem interessierten, intensiven Blick musterte. Ihre Nervosität nahm wieder zu. Das Essen war vorbei. Jetzt wollte er bestimmt zur Sache kommen. Sie war noch nicht so weit. Sie konnte nicht mit ihm schlafen.
Wie sie es erwartete, zog er sie von ihrem Stuhl hoch und nahm sie in die Arme. Leicht und unschuldig glitt er mit den Lippen über ihren Hals. Die sinnliche Berührung ließ sie erschaudern.
»Weißt du, was ich jetzt gern möchte?«, flüsterte er an ihrem Ohr.
Hannah versteifte sich. »Nein, keine Ahnung.« Jetzt kam es.
»Ich möchte dich gern Cello spielen hören. Spielst du etwas für mich?«
Sie blinzelte verwirrt. Nur langsam drangen die Worte zu ihr durch. Er wollte nicht mit ihr schlafen? Irritiert machte sie sich aus seiner Umarmung los und nahm das Instrument zur Hand. Es brauchte nur wenige Streiche mit dem Bogen über die Saiten und sie glitt aus der Realität. Das Cello entfaltete die Wirkung, die es immer auf sie hatte. Ihre Nervosität verlor sich, der Stress fiel von ihr ab. Sie atmete auf und fühlte sich frei, eins mit dem Instrument, getragen von den klagenden Tönen des Stücks. Genau das war der Grund, aus dem sie Cello spielen gelernt hatte. Sie erinnerte sich noch gut an den Tag, als sie zum ersten Mal bewusst seinen Klang wahrgenommen hatte. Es war an der Uni gewesen, an einem Tag, an dem es ihr seelisch besonders schlecht ging. Damals hatte sie das Gefühl, nur ihr geliebtes Medizinstudium hielt sie noch davon ab, in tausend Teile zu zerspringen. Sie war am Tiefpunkt ihres Lebens angelangt. Und dann hörte sie das Cello, das jemand im Aufenthaltsraum ihres Wohnheims spielte. Der Klang des Instruments war dunkel und warm, die hohen Töne zart. Hannah spürte augenblicklich eine Verbindung zu dem Instrument. Es schien ihr aus der Seele zu sprechen. Noch am selben Abend beschloss sie, Cello spielen zu lernen. Das Instrument hielt, was es versprach. Es bot ihr einen Fluchtweg aus der Realität, ließ sie aufatmen. Es war egal, ob ihr ein Patient in der Notaufnahme unter den Händen wegstarb oder die Erlebnisse ihrer Vergangenheit drohten, sie einzuholen. Das Cello beruhigte sie immer. Es glättete die rauen Kanten des Alltags.
Als das Stück endete und sie aufsah, begegnete sie Joshs dunklem Blick, der vor Leidenschaft blitzte. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch nahmen ihre Flugstunde wieder auf. Josh wollte sie,
Weitere Kostenlose Bücher