Toedliches Versprechen
Nackenhaare stellten sich auf bei den furchtbaren Details. Ihre letzte Hoffnung war die Hotline des San Francisco-PD . Sie wählte die Nummer und wartete geduldig, bis jemand abhob.
*
Louisa McTavish rollte die Schultern und warf die leere Red Bull Dose in hohem Bogen in den Mülleimer an der gegenüberliegenden Wand, ohne wirklich in diese Richtung zu sehen. Zufrieden nahm sie das Klappern des Aluminiums wahr, als sie traf. Nicht umsonst hatte sie sich ihr Studium mit einem Basketballstipendium finanziert. Mit ihren einsfünfundachtzig und einer Figur, die andere wohl als bullig bezeichnet hätten, war sie eine sehr gute Spielerin gewesen. Jetzt spielte sie nur noch Räuber und Gendarm, und gerade eben Psychologin.
Sie seufzte, zog die Schubladen ihres Schreibtischs auf und suchte nach einem Schokoriegel.
»Wieder nichts?«, fragte ihr Partner.
»Eine Spinnerin mehr. Diesmal eine, die ihn in Boston gesehen haben will.«
»Du meinst Boston wie Boston Massachusetts?«
»Genau dieses Boston.« Sie gab die Suche nach der Schokolade auf und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Immerhin ist die Verrückte diesmal angeblich eine Ärztin. Das behauptet sie zumindest.«
»Aha, und was macht das Arschloch in Boston?«
»Sie verfolgen.«
»Ich hasse diese verdammten Hotline-Dienste «, sprach ihr Partner ihr aus der Seele. »Eine Einladung für alle Irren dieser Welt, sich mal wieder bei der Polizei zu melden.« Er schnaubte abfällig. »Ich rufe noch mal bei der Grenzpolizei an. Vielleicht haben sie mittlerweile eine Spur von ihm.«
»Verdammt, wir haben wirklich jeden Stein nach dem Schwein umgedreht. Er kann doch nicht vom Erdboden verschwunden sein.« Düster blickte sie auf die Bilder von Gordons Opfern an der Pinnwand neben ihrem Schreibtisch.
»Du kannst ja mal den Captain fragen, ob er uns eine Dienstreise nach Boston spendiert«, stichelte ihr Partner.
»Ja, klar.« Sie warf ein zerknülltes Blatt nach ihm und traf natürlich. »Aber vielleicht rufe ich mal in Boston an und fühle der Ärztin auf den Zahn. Schaden kann es ja nicht.«
*
Hannah legte ihr Handy auf den Tisch. Die Polizistin hatte ihr nicht geglaubt. Sie hatte sie mit der herablassenden Gleichgültigkeit behandelt, wie manche Leute sie den Außenseitern der Gesellschaft angedeihen ließen. Es war alles wie damals, ging es ihr wie ein Mantra durch den Kopf. Nichts hatte sich geändert. Auch elf Jahre später nahm die Polizei Stalking nicht ernst.
Zögernd griff sie nach ihrem Handy, legte es wieder weg und griff noch einmal danach. Sie hatte Josh. Er war ein Cop. Er würde sie ernst nehmen. Zumindest konnte sie hoffen, dass er das tat. Wenn er ihr nicht glaubte, war sie am Ende. Sie musste es darauf ankommen lassen. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, wählte sie. Sie erreichte nur seine Mailbox und bat ihn, sie im St. Josephs abzuholen, wenn sein Dienst endete.
Sie hatte gerade noch die Zeit, sich einen Schluck Kaffee zu gönnen. Dann ging ihr Piepser los. Eine Platzwunde, die genäht werden musste.
*
Georgia Stevens besaß eine Galerie, die allen Klischees entsprach. Unverputzte Ziegelwände, viel Glas und perfekt ausgeleuchtete nicht identifizierbare Gemälde und Skulpturen, die einem Schauder über den Rücken jagten. Eine kleine Glocke schlug einen sanften Ton an, als Dominic und Josh durch die filigrane Glastür traten. Josh hasste solche Orte. Er befürchtete immer, mit einer unbedachten Bewegung ein zwei Millionen teures Kunstwerk zu zerstören. Doms Blick nach zu urteilen ging es ihm nicht anders. In der für ihn typischen Drehbewegung, einmal langsam um die eigene Achse, nahm er seine Umgebung in sich auf. Kleine Namensschilder wie Das Blut der Frau oder Konzeption in Stein und Bronze hingen neben noch diskreteren Preisschildern mit vielen Nullen. Dominic schüttelte den Kopf. Die Schilder schienen ihn ernsthaft zu erschrecken.
Aus dem hinteren Teil des Ladens kam ihnen eine Frau mittleren Alters entgegen. Sie war äußerst schick gestylt und schenkte ihnen ein umwerfendes Lächeln. Kein Wunder, dass Dan Masters von dieser Frau die Finger nicht hatte lassen können. Sie strahlte ein Maß an Reife und Sex-Appeal aus, das man erst mit dem Alter und der Erfahrung des Lebens aufbringen konnte. Viele Frauen trugen diesen Glanz in sich, doch nur wenige Männer achteten darauf, weil sie ihre Blicke im Laufe der Zeit jüngeren Frauen zuwandten. Masters hatte offenbar genauer hingeschaut und Georgias
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