Toedliches Versprechen
Outfit. »Und offensichtlich auch die Lieblingsärztin meines großen Bruders.«
Mutter? Bruder? Langsam dämmerte es in Hannahs immer noch an Koffeinentzug leidendem Gehirn. Liz Bowers war nicht Joshs Freundin, das Kind war nicht seines. Sie war seine Schwester. Hannah atmete aus. Erst jetzt merkte sie, dass sie die Luft angehalten hatte.
Josh küsste seine Schwester auf die Wange und nahm das Mädchen hoch, um ihm in den Nacken zu pusten. Kichernd wand sie sich in seinen Armen.
»Noch mal, Liz. Was willst du hier?«
»Oh.« Sie stellte den Karton mit den Donuts auf den Tresen. »Ich war neugierig. Du hast Daddy gestern ganz schön wütend gemacht. Ich wollte wissen, was los war.«
Josh rollte unter dem strengen Blick seiner jüngeren Schwester mit den Augen und zog den Karton zu sich heran. Er suchte sich einen Donut aus und hielt ihn seiner Nichte zum Abbeißen hin, bevor er die Kleine absetzte und einen großen Bissen nahm.
Es ging offensichtlich um ein innerfamiliäres Problem, das sie nichts anging. »Ich lasse euch kurz allein.« Mit ihrer Tasse in der Hand trat sie den Rückzug an.
*
»Hat er dich geschickt?«
»Du kennst mich doch. Ich fühle mich nicht wohl, wenn sich die Familie nicht versteht.«
»Ja, ja. Eitel Sonnenschein und heile Welt«, knurrte Josh.
»Das stimmt nicht, und das weißt du auch. Ich verstehe voll und ganz, dass du deinen eigenen Weg gehst. Und du bist verdammt gut in dem, was du tust. Es ist nicht richtig, wie Daddy sich dir gegenüber verhält. Aber versuch ihn zu verstehen. Einer seiner besten Freunde hat gerade seine Tochter verloren. Er will helfen!« Mit entschlossen funkelnden Augen und in die Hüfte gestützten Händen baute sie sich vor ihm auf.
»Wenn er sich – gottverdammt noch mal – aus meinem Leben und meiner Arbeit heraushalten würde, dann würde mir das die Ermittlungen in diesem beschissenen Fall verdammt erleichtern.«
»Böses Wort, Onkel Josh.« Seine Nichte Tanya blickte in kindlicher Empörung zu ihm auf. Auch sie hatte ihre kleinen Hände in die Hüften gestützt. Eine perfekte Minikopie ihrer Mutter, die ihn fast zum Lachen brachte.
»Du hast recht, Prinzessin.« Er hob sie wieder hoch und wirbelte sie im Kreis, bis sie begeistert kreischte. »Kommt nicht mehr vor«, versprach er und küsste sie auf den Kopf, bevor er sie wieder absetzte.
»Noch mal, Onkel Josh.«
Sein Handy klingelte. Er zog es aus der Tasche und blickte auf die Ruferkennung. »Da muss ich rangehen. Wir wiederholen das später. Hey Dom, was gibt‘ s.«
»Tracy und ich sind auf etwas Interessantes gestoßen. Du solltest herkommen, wenn du kannst.«
Das war im Moment mehr als ungünstig. Aber seine Arbeit machte sich eben auch nicht von allein. Er drehte sich zu Liz um. »Kannst du den Vormittag mit Hannah verbringen? Ihr ein bisschen Gesellschaft leisten?«
Seine Schwester nickte, und kurze Zeit später war er auf dem Weg ins Department. Ihm war nicht wohl dabei, Hannah und Liz in seinem Haus zurückzulassen. Er hatte sie gebeten, die Alarmanlage einzuschalten und sich einen gemütlichen Tag zu machen. Er wollte nicht aussprechen, wie wichtig es ihm war. Aber Hannah und seine kleine Schwester sollten sich kennenlernen. Er liebte Lizzy und wollte, dass die Frau, die ab jetzt eine nicht unerhebliche Rolle in seinem Leben spielen würde, und sie sich mochten. Bei Liz machte er sich keine Sorgen. Sie war eine offene, fröhliche Person, die auf die Menschen zuging und leicht Kontakte knüpfte. Hannah war da ganz anders. Sie vertraute nicht leicht. Sie war vorsichtig und zurückhaltend. Misstrauisch. Sie ließ sich auf niemanden einfach so ein. Das hatte er lange genug am eigenen Leib gespürt. Aber Lizzys einnehmende Art und das sonnige Wesen seiner Nichte würden sie schon aus ihrem Schneckenhaus holen. Darum machte er sich keine Gedanken.
Mehr Sorgen machte ihm Griffin Gordon. Sie hatten noch keine Spur von dem Mistkerl. Dominic hatte am vergangenen Abend eine Weile Hannahs Viertel durchkämmt und nichts Auffälliges festgestellt. Das konnte alles bedeuten. Und nichts. Schließlich war die Gegend wirklich keine besonders gute Wohngegend. Es gab genügend Versteckmöglichkeiten für diesen kranken Irren.
Er parkte seinen Wagen hinter dem Department und ging durch die ruhige Wache zu den Fahrstühlen. An einem Samstag war nicht viel los. Auch im Dezernat herrschte ungewöhnliche Stille. Außer Dominic und Tracy war niemand hier.
Josh zwinkerte der Sekretärin des
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