Toedliches Versprechen
berührten ihre Stirn. »Und jetzt lass uns deine Sachen holen.«
Sie trugen ihre Sachen in den ersten Stock. Er spürte ihr Zögern vor seiner Schlafzimmertür. Ihre Augen wanderten für einen Augenblick zum Gästezimmer. Es kam überhaupt nicht infrage, dass sie, während sie hier wohnte, irgendwo anders schlief als in seinem Bett. Sanft schubste er sie in sein Zimmer. Er stellte ihre Reisetasche und das Cello ab. Dann schob er sie ins Bad. »Lass dir schon mal Wasser ein, ich bin gleich wieder da.«
Hannah vertraute ihm nicht vollständig. Das konnte er ihr nach seinem Verhalten in ihrer Wohnung nicht verübeln. Aber er konnte versuchen, es wiedergutzumachen – er würde es wiedergutmachen. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte er zurück in die Küche und durch die Hintertür in den kleinen Garten hinter dem Haus. Mit einem Sprung setzte er über die Hecke, die sein Grundstück von dem der Nachbarn trennte und hämmerte mit der Faust gegen die Tür der Fernandez’.
Es dauerte nicht lange und seine Nachbarin Marcia öffnete ihm. Ihr Haar war eine wilde schwarze Lockenmähne. Bekleidet war sie wie immer in irgendein undefinierbares Kleidungsstück aus schrillem, buntem Stoff, das weich um ihre sehr weiblichen Kurven floss. Sie war, ebenfalls wie immer, barfuß.
»Brennt es, Corazón?« Ihre Stimme klang rauchig. Den Akzent ihrer Heimat hatte sie nie abgelegt. Ihr Mann, Hernandez, war eine der angesehenen Größen im Finanzgeschäft der Stadt, aber Marcia war eine Hexe. Zumindest behauptete sie das von sich. Sie stellte Tränke, Mittelchen und Salben her, die für sämtliche Wehwehchen dieser Welt gut waren. Wenn man ihr Glauben schenkte. Was Josh nicht tat. Er glaubte nicht an Hokuspokus. Aber er glaubte daran, dass sie seinem Hund guttat. Und daran, dass Marcia etwas in ihrem Schrank hatte, was Hannah guttun würde.
»Ich brauche etwas, was man ins Badewasser schütten kann. Du weißt schon, was für Frauen, das gut riecht.«
Ein Lächeln huschte über das Gesicht seiner Nachbarin. »Josh Winters ! Hast du etwa eine Frau in deiner Badewanne?«
»Kannst du mir einfach irgendetwas geben? Jetzt gleich?«, drängte er.
»Warte einen Moment.« Sie verschwand und kam einen Moment später mit zwei hübschen kleinen Glasflaschen zurück, die seine Schwester vermutlich angebetet hätte. Der Inhalt einer Flasche war grün, der andere von einem hellen Lila. »Etwas Anregendes?« Mit hochgezogener Augenbraue hielt sie ihm die lila Flasche hin. »Oder Kräuter? Zum Entspannen?«
Josh griff sich die grüne Flasche. »Kräuter.« Er wandte sich um und sprang über die Hecke. »Danke, Marcia. Ich zahle später«, rief er über die Schulter.
»Geschenkt. Stell mir lieber die junge Dame vor, damit ich dir sagen kann, ob eure Schwingungen zueinanderpassen.«
Er hob die Hand, um sie wissen zu lassen, dass er sie verstanden hatte. Dann sprintete er zurück ins Haus und zu Hannah. Sie saß auf dem Wannenrand, als er ins Badezimmer platzte. »Hier. Für dein Badewasser. Ich hole dir noch ein wenig Musik und dann lasse ich dich entspannen.« Er drückte ihr das Fläschchen in die Hand und eilte zurück ins Schlafzimmer. Auf seinem iPod stellte er mit fliegenden Fingern eine Musikauswahl zusammen, die einigermaßen entspannend war. Nicht einfach, bei seinem Geschmack. Aber ein paar sanfte Blues- und Soulnummern fanden sich immer. Er ließ eine etwas überrumpelte Hannah mit Fudge als Gesellschaft im Bad zurück und trug ihren Laptop in sein Arbeitszimmer. Er öffnete eine Datei nach der anderen und überflog den Inhalt. Was er über das Schicksal ihrer Schwester las, stellte ihm die Nackenhaare auf. Stalkingopfer wurden von der Polizei häufig recht stiefmütterlich behandelt. Aber dass dieser jungen Frau niemand geholfen hatte, machte ihn rasend vor Wut. Was waren das für Cops, die die Gefahr für das Mädchen nicht erkannt hatten?
Er fand keinen Hinweis darauf, wie Gordon von Hannahs Existenz erfahren haben konnte. Nichts deutete darauf hin, dass sie miteinander in Kontakt geraten waren. Es gab nur eine Erklärung. Gordon hatte Hannah irgendwo gesehen, vielleicht im Internet, und sah ihre Schwester in ihr. Wenn er sie für Nadine hielt, war die Gefahr für Hannah um vieles höher, als zunächst gedacht. Gordon konnte zu dem Schluss kommen, unschuldig elf Jahre im Knast gesessen zu haben, für den Mord an einer Frau, die nicht tot war. Das Arschloch verfolgte sie nicht nur, es wollte auch Rache. Josh fuhr sich
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