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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
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nur als vorübergehende Bleibe empfindet«, sagte sie und bot ihm den einzigen Stuhl an, von dem sie erst einen Stapel Zeitungen entfernen musste. »Zumindest hofft man, bald wieder ausziehen zu können.«
    Diese selbstironische Bemerkung war wohl als Rechtfertigung für die Unordnung gemeint, ihm jedoch vermittelte der Raum, zumindest für den Augenblick, ein Gefühl intensiver Nähe.
    Offenbar hatte sie gerade mit der Zubereitung ihres Abendessens begonnen, denn das Wasser in dem Topf auf dem Kocher begann zu brodeln.
    »Hast du schon gegessen?«
    Das entsprach der höflichen Begrüßungsformel, die sie ausgetauscht hätten, wenn sie sich irgendwo auf der Straße begegnet wären. Darauf erwartete niemand eine ehrliche Antwort. Hier allerdings war die Frage durchaus ernst gemeint.
    »Nein, nicht richtig«, antwortete er wahrheitsgemäß.
    In dem Lokal hatte er lediglich eine Dose Bier getrunken, die anderen beiden hatten verzehrt, was sonst noch auf dem Tisch stand.
    Shanshan zog einen Pappkarton unter dem Bett hervor und entnahm ihm ein weiteres Nudelnest, dann warf sie beide ins kochende Wasser.
    »Weißt du, wie man Nudeln kocht?«, fragte sie und deutete auf einen verbeulten Wasserkessel auf dem Boden. »Da ist kaltes Wasser drin.«
    Seine Aufgabe bestand nun darin, immer dann ein wenig kaltes Wasser aufzugießen, wenn das Nudelwasser zu sprudeln begann. Kein Problem. Er würde die Prozedur zwei-, dreimal wiederholen, dann wären die Nudeln weich.
    Sie hockte indessen vor einer Schachtel, die Schraubgläser mit verschiedenen Saucen enthielt und unter dem Tisch verstaut war. Aus jedem Glas löffelte sie ein wenig in eine Schale und rührte alles gut durch. Konzentriert kreierte sie so eine Sauce. Auch er hatte schon mit solchen Zutaten experimentiert, konnte in dem spärlich beleuchteten Raum aber leider die Etiketten der Gläser nicht lesen. Unwillkürlich wanderte sein Blick zu ihren weißen Schenkeln, die unter dem bis zum Knie reichenden Bademantel hervorblitzten.
    Nachdem er den Vorgang des Aufgießens einige Male wiederholt hatte, schöpfte Chen die Nudeln in zwei Schalen. Shanshan goss die Sauce darüber. Dann öffnete sie noch ein Päckchen mit Gluten – ebenfalls eine Spezialität aus Wuxi – und streute die Stückchen über die Nudeln. Das Abendessen war fertig.
    Sie hockte auf dem Bett, während er auf dem einzigen Stuhl saß, die Schalen standen zwischen ihnen auf dem Tischchen. Die Nudeln schmeckten ihm überraschend gut, besser als das aufwendige Bankett im Erholungsheim.
    Er liebte Nudeln, aber obgleich er ein Feinschmecker war, kochte er doch selten für sich allein.
    Ihr ging es vermutlich ähnlich, doch er verscheuchte den Gedanken sofort wieder. Sie war wesentlich jünger als er, und es gab bestimmt genügend Männer ihres Alters, die diese attraktive Frau zum Essen ausführten – vorzugsweise bei romantischem Kerzenlicht. Spöttisch gestand er sich ein, dass er bei dieser Vorstellung einen Stich verspürte.
    Warum beschäftigte ihn ausgerechnet jetzt sein Alter?
    »Danke. Das sind die besten Nudeln, die ich seit langem gegessen habe.«
    »Na, na, von jemand, der mit dem Direktor des Erholungsheims speist, klingt das nicht gerade glaubwürdig.«
    »Aber es ist wahr, Shanshan. Die Nudeln, die ich mit dir teile, sind nicht einfach Nudeln.«
    Sie ignorierte seine Anspielung und fuhr fort: »Jemand mit deinen Kontakten.«
    »Wie meinst du das?«
    »Onkel Wang hat mir da etwas erzählt. An dem Morgen, als ich Ärger im Betrieb bekam, hast du einige Anrufe für mich getätigt. Gleich darauf kam ein Polizist, der dich behandelte, als seist du sein Vorgesetzter.«
    »Das mit den Telefonaten stimmt. Ich habe mir einfach Sorgen um dich gemacht. Aber was den Polizisten angeht, so haben wir uns zufällig beim gleichen Friseur die Haare schneiden lassen. Und da ich einige Krimis übersetzt habe, sind wir ins Gespräch gekommen.«
    »Der Polizist, der mich schließlich auf freien Fuß gesetzt hat, sagte, ich hätte einen guiren , einen mir unbekannten Schutzpatron. ›Ohne den hätten Sie hier schwarz werden können‹, meinte er. Und ich kenne kaum jemanden in Wuxi, zumindest keine so einflussreichen Leute wie dich, Chen.«
    Huang hatte es sich offenbar nicht verkneifen können, ihr einen Fingerzeig zu geben, dabei aber versucht, die Anonymität des Oberinspektors zu wahren.
    »Die hatten kein Recht, dich festzuhalten. Und als sie ihren Fehler einsahen, brauchten sie eine Rechtfertigung; da fiel ihnen

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