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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
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um die Umweltverschmutzung in Wuxi darzustellen. Aber das würde er ihr natürlich nicht sagen. Er würde nie etwas tun, was sie in Gefahr bringen könnte.
    »Ich schlage mich mit einem Gedicht über die Umweltverschmutzung in unserem Land herum, und leider bin ich kein Experte wie du. Ich will zumindest nichts behaupten, was nicht der Wahrheit entspricht.«
    »Ist das dein Ernst?«, fragte sie. »Damit könntest du ziemlichen Ärger kriegen. Außerdem bezweifle ich, dass es jemand veröffentlichen wird.«
    Ja, es war sein Ernst. Immerhin hatte er schon einige Strophen fertig.
    »Auch da habe ich meine Kontakte. Immer läuft alles über Beziehungen – nicht dass ich stolz darauf wäre, versteh mich recht, aber so funktioniert es.«
    Und nach einer Pause fügte er hinzu: »Nach unserem Gespräch auf dem Boot habe ich erst begriffen, wie hart der Kampf für den Umweltschutz sein muss. Ebenso schwierig wie kompliziert. Letztlich liegt die Wurzel des Übels in der menschlichen Gier. Aber wie schon das Sprichwort sagt, Krähen sind überall schwarz . Umweltverschmutzung betrifft nicht allein unser Land. Allerdings hat das Problem hier eine spezifisch chinesische Prägung.«
    »Ja, ja, so wie die Zeitungen vom Sozialismus chinesischer Prägung sprechen«, höhnte sie und sah ihn dabei direkt an.
    Er hielt ihrem Blick stand. »In unserer langen Geschichte hat es zu keiner Zeit ein solides Rechtssystem gegeben, die Ideologie hat die Menschen enttäuscht, und dann brach auch noch die Katastrophe der Kulturrevolution über sie herein. Daher greifen sie in diesen habgierigen Zeiten nach allem, was sie kriegen können, ohne Rücksicht auf Verluste. Manche Ökonomen sehen in der Gier sogar ein notwendiges Übel zur Ankurbelung der Wirtschaft. Ironischerweise finden sich solche Gedanken sogar bei Marx, wenngleich er die Thematik durchaus kritisch sah.«
    »Wenn du schon Marx bemühst, dann kennst du sicher auch seinen Ausspruch, dass ein Kapitalist für einen dreihundertprozentigen Gewinn sogar morden würde.«
    »Ja. Dieses Gewinnstreben um jeden Preis kann zu nichts Gutem führen, weder für die Umwelt noch für die Gesellschaft. Aber die Sache ist noch aus anderen Gründen so kompliziert. Die Parteiführung ist sich der Umweltprobleme mit Sicherheit bewusst, doch ihre Macht steht und fällt mit dem Wirtschaftswachstum. Das heißt aber auch, dass alle Umweltschutzmaßnahmen, die dieses Wachstum einschränken, unterdrückt werden.«
    »Du sagst es, Chen!« Ihre Augen leuchteten.
    »Ich habe über diese Dinge nachgedacht, Shanshan«, sagte er ernst, »im Zusammenhang mit deinem Betrieb und auch wegen des Gedichts, das ich schreiben möchte. Ich stehe erst am Anfang, aber es könnte das längste und ehrgeizigste Projekt werden, das ich je begonnen habe.«
    »Warte, ich zeig dir meine Unterlagen.«
    Sie legte sich bäuchlings auf das Bett, langte darunter und zog einen Pappkarton hervor. Ihre Aktion ermöglichte Chen einen raschen Blick auf ihre nackten Beine und die elegant gewölbten Fußsohlen, an denen Staubflusen hafteten.
    Als sie wieder hochkam, hatte sie einen blauen Ordner in der Hand und einen Schmutzfleck an der Wange.
    »Alles, was du wissen willst«, sagte sie und setzte sich wieder aufs Bett, diesmal dicht neben ihn.
    Auch er rückte näher an das Tischchen heran, um das Kleingedruckte in ihrem Ordner lesen zu können.
    Er fühlte sich an seine Studienzeit erinnert, als er, über ein ähnlich winziges Tischchen gebeugt, in seinem Wohnheimzimmer gelernt hatte. Damals war auch er voller Idealismus gewesen, überzeugt davon, das Richtige zu tun.
    Vor dem kleinen Fenster dämmerte der Abend, am tiefblauen Himmel funkelten erste Sterne.
    Chen verlor jegliches Zeitgefühl, während sie redeten. Shanshans Haar streifte hin und wieder seine Wange wie der Refrain eines halbvergessenen Gedichts, und mit schlanken Fingern deutete sie immer wieder auf das Papier, um ihm Einzelheiten zu erläutern.
    Dann lehnte sie sich lässig zurück und zog die Beine unter den Körper. Gleich darauf fiel ihr wieder etwas ein, und sie beugte sich erneut über den Ordner auf dem Tisch, wobei ihr Bademantel ein wenig aufklaffte. Er meinte, einen Blick auf ihre nackte Brust zu erhaschen. Falls sie es registriert hatte, ließ sie es sich nicht anmerken.
    Nachdem sie das Material durchgegangen waren, wurde es still im Zimmer.
    »Ich bin froh, dass du heute Abend vorbeigekommen bist«, sagte Shanshan schließlich. Ihre Augen strahlten im flackernden

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