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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
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Licht der Neonröhre.
    Er schielte auf seine Uhr. Es war bereits nach neun. Aber da sie nichts dazu sagte, konnte er wohl noch bleiben – vielleicht auch ein wenig länger.
    Es war zwar nicht gerade bequem, so eingezwängt zwischen Tisch und Bett, aber die Konstellation erinnerte ihn an die sogenannten ›Liebesnester‹ in einem berühmten Restaurant am Shanghaier Bund. Auch dort sorgte die Enge für eine gewisse Intimität, allerdings hatte man einen spektakulären Ausblick über den Huangpu. Er war dort einmal mit einer Frau gewesen – rein beruflich –, die kurz darauf ermordet worden war. Der Gedanke daran ließ ihn in einer merkwürdigen Vorahnung erschauern. Er rückte mit seinem Stuhl ein wenig nach hinten, was ein hässliches Scharren verursachte.
    Auch Shanshan lehnte sich zurück, den Rücken gegen die nackte Wand, die Beine ausgestreckt, und klopfte mit einer einladenden Geste neben sich auf die Bettdecke.
    Während er zu ihr hinübersah, bemerkte er an ihrem großen Zeh einen Fleck, der offenbar von den Vorbereitungen für die Nudelsauce stammte. Im künstlichen Licht der Neonröhre wirkte ihr Zeh so weiß und prall wie die Frühlingszwiebeln in einer bekannten Delikatesse.
    Diese aberwitzige Assoziation ließ sie ihm nur noch begehrlicher und zugleich verletzlich erscheinen. Ein Dichter der Jin-Dynastie hatte einmal von einer Frau gesagt, sie sei so schön, dass man sie am liebsten verschlingen würde. In Shanshans Blick meinte er die Botschaft zu lesen, dass sie seine geheimsten Gedanken erraten hatte.
    Doch Chen stand auf und schob den Stuhl ein wenig beiseite.
    Sie sahen einander in die Augen.
    »Es ist spät, Shanshan. Ich glaube, ich sollte jetzt gehen. Das Erholungsheim schließt seine Pforten um Mitternacht.«
    Wenn er ihr helfen wollte, musste Chen – gerade als Polizist – absolut neutral bleiben, auch wenn er Shanshan seine wahre Identität gar nicht offenbart hatte.

11
     
    AM FREITAGMORGEN PARKTE Polizeimeister Huang seinen Wagen im Schatten unweit des Eingangs zum Erholungsheim. Er hatte das Seitenfenster heruntergekurbelt und wartete.
    Das erste Interview des Tages, so war es mit Chen ausgemacht, würden sie mit Mi, der Chefsekretärin, führen.
    Chens Ansinnen überraschte Huang nicht, er selbst hatte Mi bereits vor dem Erscheinen des Oberinspektors befragt. Allerdings fragte er sich, während er eine Zigarette anzündete, welche Vorgehensweise sein berühmter Kollege wählen würde.
    Pünktlich zur vereinbarten Zeit trat dieser durch das Tor, wo ein ältlicher Pförtner ihm unterwürfig hinterhergrüßte. Huang stieg aus dem Shanghai Dazhong – auf Chens besonderen Wunsch hatte er einen zivilen Wagen gewählt.
    »Vielen Dank, Huang«, sagte Chen, als er sich auf dem Beifahrersitz niederließ. »Bevor wir zu Mi fahren, würde ich gern noch einen Blick auf Lius Privatbüro werfen.«
    Dieser Vorschlag kam Huang sehr gelegen. Sein Team hatte die Arbeit am Tatort noch nicht ganz abgeschlossen, und auch einige Laborberichte standen noch aus, als die Innere Sicherheit eingegriffen und den Ermittlern ihr Lösungsszenario aufgedrängt hatte. Damit waren den Polizisten die Hände gebunden. Und nachdem sogar die älteren und erfahrenen Kollegen dies ohne Protest hingenommen hatten, musste natürlich auch Huang den Mund halten.
    Aber das Apartment war unbewacht, es würde also nicht schwer sein, mit Chen unbemerkt hineinzukommen. Bislang kannte der Oberinspektor den Tatort nur von Fotos; besser war es natürlich, wenn er ihn persönlich in Augenschein nehmen könnte. In den Sherlock-Holmes-Geschichten entdeckte der Meisterdetektiv stets irgendwelche Indizien am Tatort, die den anderen entgangen waren.
    »Kein Problem«, stimmte Huang daher eifrig zu. »Wir haben zwar schon alles durchgekämmt, aber Sie sollten sich das unbedingt noch einmal ansehen.«
    Nach wenigen Minuten hatten sie den Apartmentkomplex erreicht, der auf der Rückseite des Fabrikgeländes lag, und tatsächlich waren dort weder Polizeikräfte noch Anwohner zu sehen.
    »Die Anlage ist neu und noch nicht voll belegt«, erklärte Huang, während er einem Wachmann, der stocksteif unter dem weißen Torbogen des Eingangs stand, seinen Dienstausweis zeigte.
    »In den letzten Jahren ist viel neuer Wohnraum dieser Art entstanden, aber bei den ständig steigenden Immobilienpreisen kann sich ja kaum jemand ein solches Apartment leisten.«
    »Aber Liu hat seines umsonst bekommen – zusätzlich zu der riesigen Villa«, ergänzte

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