Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
Vom Netzwerk:
nicht.«
    »Vor etwa zwei Monaten, im März, hat er sich noch einmal mit Liu getroffen. In dessen Büro in der Chemiefabrik. Angeblich hatten sie dort eine lautstarke Auseinandersetzung.«
    »Was? Aber das kann nicht sein! Er wusste, wie verärgert ich war, und er hatte versprochen, sich anderen Übeltätern zu widmen. Davon gebe es genug, sagte er.«
    »Nun, vielleicht war es eine Frage des richtigen Zeitpunkts. Eventuell dachte er, dass Liu angesichts des bevorstehenden Börsengangs eher zu Kompromissen bereit wäre; so sieht es zumindest die Innere Sicherheit.«
    »Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass Jiang in die Fabrik gegangen ist.«
    »Mi hat ihn aber mit Liu in dessen Büro streiten hören.«
    »Wann?«
    »Anfang März – am Tag vor dem Frauentag. Da war sie sich ganz sicher.«
    Shanshan starrte Chen stumm an, dann richtete sie ihren Blick in die Ferne.
    Die Luft war merklich abgekühlt, es war frisch für die Jahreszeit. Plötzlich kam sie ihm sehr verletzlich vor, wie sie mit hängenden Schultern, an die Säule gelehnt, dasaß, die Handflächen in einer fast flehentlichen Geste nach außen gekehrt. Sie hatte sich bislang nicht klar über ihre Beziehung zu Jiang geäußert, und Chen wollte sie nicht drängen. Sie würde schon reden, wenn sie bereit dazu war.
    Immerhin rundete sich sein Bild von den Hintergründen des Mordfalls langsam ab. Für die Stadtregierung waren Umweltschutzmaßnahmen nur so lange akzeptabel, wie sie den Anschein einer »harmonischen Gesellschaft« nicht gefährdeten; diese wiederum basierte auf einem stetig wachsenden Bruttosozialprodukt, das von ebenjenen Industriebetriebe erwirtschaftet wurde, die ihre Abwässer in den See leiteten. Indem Jiang diesen Kreislauf aufgedeckt und seine Erkenntnisse westlichen Medien zugänglich gemacht und ins Netz gestellt hatte, war er politisch untragbar geworden. Vermutlich war die Innere Sicherheit schon geraume Zeit hinter ihm her. Das erklärte auch die Eile, mit der sie den Fall an sich gerissen hatte.
    »Eine schwierige Situation, nicht wahr?«, sagte sie, als könnte sie seine Gedanken lesen.
    Schwierig insofern, als er nicht ausschließen konnte, dass Jiang tatsächlich ein Krimineller war, auch wenn ihm persönlich die These mit der politischen Verfolgung eher einleuchtete.
    »Mit wem hast du sonst noch gesprochen in der Fabrik?«, fragte sie unvermittelt, ihr Blick war plötzlich wachsam. »Du hast dich doch sicher nicht bloß mit Huang zum Mittagessen dort getroffen.«
    »Da hast du recht. Wir haben uns mit Mi und Fu unterhalten. Ich bin zu so etwas ja nicht befugt, aber Huang hat die Befragung in meinem Beisein durchgeführt. Leider haben wir nichts wirklich Neues erfahren. Außerdem habe ich mich mit Frau Liu in ihrem Hause getroffen, mit Huang natürlich.«
    »Dann hast du also ermittelt wie ein Polizist.«
    »Etwas an dieser Frau Liu ist mir nicht geheuer, aber ich bin mir nicht sicher, was genau.« Er ignorierte den sarkastischen Ton ihrer Bemerkung. »Sie fährt ständig nach Shanghai – nahezu jede Woche –, um dort Mah-Jongg zu spielen. Wie kann sie sich das leisten?«
    »Die hat keine Geldsorgen. Liu verdiente bestens. Zehn Prozent vom Jahreseinkommen des Staatsbetriebs standen ihm als Bonus zu. Und das ist nur die legale Seite. Mit Sicherheit gibt es da beträchtliche Grauzonen.«
    »Aber sie muss doch von seiner kleinen Sekretärin gewusst haben. Wie konnte sie ihn da so oft in Wuxi allein lassen?«
    »Sie hat von allen seinen kleinen Sekretärinnen gewusst. Aber soweit ich gehört habe, hat er sie großzügig dafür entschädigt. Es war ein Deal. Einmal hat er erklärt, er habe sich einen sicheren häuslichen Hintergrund erkauft, in seiner Position eine teure, aber notwendige Investition.«
    »Moment mal, Shanshan, du hast von ›kleinen Sekretärinnen‹ gesprochen. Gab es da noch jemanden außer Mi?«
    »Zumindest gab es eine vor Mi, soviel ich weiß.«
    »Und was passierte mit ihr?«
    »Ausrangiert wie ein alter Wischmopp.«
    »Könntest du mehr über diese Frau in Erfahrung bringen?«
    »Ich kann es versuchen. Jemand hat mir erzählt, dass sie Hostess in einem Karaoke-Lokal war. Mi hat vorher in einem Salon für Fußmassage gearbeitet«, sagte Shanshan. »Ein Parteikader, der wie Liu einen großen Staatsbetrieb leitet, tut gut daran, sich ein ruhiges Heim zu schaffen, indem er seiner Frau ein großzügiges Taschengeld gibt. Gleichzeitig stand ihm Mi in seinem Privatbüro rund um die Uhr wie eine Konkubine zu

Weitere Kostenlose Bücher