Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once
hielt eine beigefarbene Kleingeldbörse in den knotigen Händen und humpelte leicht auf der linken Seite. Sie sah sich verstohlen um und überzeugte sich, dass niemand sie beobachtete; dann schob sie rasch einen silbernen Schlüssel in das antike Türschloss und betrat ihre kleine Wohnung im Erdgeschoss.
Nathan grinste in sich hinein und packte das lederbezogene Lenkrad fester, während ein kalter, beinahe schmerzhafter Schauer nach dem anderen über seine Arme und Schultern lief und ein Adrenalinstoß mit solcher Wucht durch seine Adern jagte, dass er meinte, es würde ihn aus dem Sitz reißen. Er war jetzt tief in seiner Killing Zone , und seine fünf Sinne waren schärfer und besser eingestimmt auf die Welt ringsum. Verlässlicher .
Das war es also: der Höhepunkt dessen, wofür er so hart gearbeitet hatte. Um der Aktualisierung, der Berichtigung der Geschichte willen musste die alte Frau in dieser Nacht einen sehr gewaltsamen Tod sterben. Es gab keinen anderen Weg.
Geduldig wartete er, bis ein vorbeikommender Streifenwagen um die Ecke bog und aus dem Blickfeld verschwand, bevor er aus dem schicken grünen Audi stieg und den Kofferraum öffnete. Abgesehen von ziellos umherstreunenden Cracksüchtigen und dösenden Cops in ihren Streifenwagen lag die Straße um diese nachtschlafende Zeit leer und verlassen da. Deshalb war es nicht weiter schwer, sich unbemerkt vorzubereiten. Schon bald würde es hier vor Menschen wimmeln. Das war entscheidend. Es mussten Leute auf der Straße sein.
Sie mussten ihn sehen .
Die Akkorde von »Night Prowler« noch in den Ohren, schlüpfte er rasch in die Jogginghose und einen dünnen schwarzen Rolli, bevor er sich eine AC/DC-Baseballkappe aufsetzte. Zur Vervollständigung der sakralen Verwandlung benutzte er einen blauen Kugelschreiber, um sorgfältig ein perfektes Pentagramm in die Mitte seiner linken Handfläche zu zeichnen.
Vorfreude überkam ihn, und Lust schäumte in seinen Lenden auf, als er ein scharfes Messer in die Lederscheide an seinem Gürtel schob und behutsam den Kofferraum schloss. Leise – ganz, ganz leise – überquerte er im Schutz der Dunkelheit die Straße.
Es war Zeit.
Zeit, an die Arbeit zu gehen.
4.
Nachdem sie Templeton bezüglich der Autopsie von Jacinda Holloway instruiert hatte, verließ Dana die Wohnung und betrat den Flur des Apartmenthauses. Sie ging von einer Tür zur nächsten und klopfte, bis schließlich jemand öffnete. Die meisten Agents delegierten diese Aufgabe nur zu gerne an ihre Untergebenen, doch Dana hatte mehr als einmal erlebt, wie so etwas in die Hose gegangen war, sodass sie die Zeugenbefragung lieber selbst vornahm. Es war diese Einstellung, die ihr den Respekt der meisten Kollegen eingebracht hatte und die Missgunst einiger anderer – Leute, die im Vergleich nicht schlechter dastehen wollten als sie. Es war nicht so einfach, wie es im Fernsehen manchmal dargestellt wurde, doch man wusste nie, welche entscheidenden Hinweise sich in scheinbar banalen Dingen verbargen. Manchmal musste man einfach die Ärmel hochkrempeln und sich die Hände schmutzig machen. Bis hinauf zu den Ellbogen, wenn es nicht anders ging. Das hatte Crawford Bell ihr beigebracht.
Drei Türen von der Wohnung der Holloways entfernt verdunkelte sich das Guckloch für einen Moment, ehe eine Kette rasselte und eine junge Schwarze mit einem schlafenden Baby auf dem Arm die Tür einen Spaltbreit öffnete.
Die junge Frau kniff die Augen zusammen, als sie Dana sah, und schob das Baby auf ihre Hüfte. »Was wollen Sie?«
Dana hielt ihre Marke hoch und lächelte freundlich. Es war extrem wichtig, dass ein Ermittler nicht bedrohlich wirkte, sondern von Anfang an freundlich war und nicht auf Konfrontation aus: Grundlagen der Befragungstechnik, Kapitel 1. Abgesehen davon hatte Dana festgestellt, dass Freundlichkeit in der Regel viel besser funktionierte als die alte Böser-Cop-guter-Cop-Nummer. Noch ein Trick, den sie schon früh in ihrer Karriere von Crawford gelernt hatte.
»Guten Tag, Ma’am«, sagte Dana mit einem Lächeln. »Ich bin Special Agent Dana Whitestone vom FBI. Ich untersuche einen Mordfall auf dieser Etage. Bestimmt haben Sie inzwischen davon gehört. Darf ich reinkommen?«
Die junge Frau betrachtete Danas Marke und blickte dann auf ihr schlafendes Baby. Es war kaum älter als ein Neugeborenes, bemerkte Dana. Die Mutter konnte allerdings auch nicht viel älter als achtzehn sein. »Ich will keinen Ärger«, sagte sie misstrauisch.
Dana lächelte
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