Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once
Krankheit – der Hirntumor, von dem seine Vorgesetzten nichts ahnten – seinen Verstand getrübt? War er den einen entscheidenden Schritt zu weit gegangen? Selbst Crawford würde zugeben, dass er geradezu besessen war von diesen Killern. War er am Ende dermaßen besessen geworden, dass er beschlossen hatte, ihre Verbrechen nachzustellen? Um zu beweisen, dass er besser war als die Besten? Oder war es eine Art grausiger Hommage, an wen oder was auch immer? Hatte das akribische Studium der abnormen Persönlichkeiten dieser Irren Crawford am Ende ebenfalls in ein Ungeheuer verwandelt? Oder war er immer schon ein Monster gewesen, das nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet hatte, um in Erscheinung zu treten?
Dana erschauerte unwillkürlich. Crawford Bell war ihr Freund und Mentor, er mochte sie, und er war todkrank. Er konnte unmöglich der Killer sein. Unmöglich. Sie musste die Akten sämtlicher Studenten sichten, die je seine Vorlesung besucht hatten. Der Täter musste einer von ihnen sein.
»Es kann unmöglich Crawford sein«, hörte sie sich sagen, auch wenn der schreckliche Zweifel blieb. Crawford hatte ihr alles beigebracht, was er wusste – er würde das jetzt nicht gegen Dana verwenden, ganz bestimmt nicht. »Er kann es nicht sein. Jedenfalls nicht selbst, in Person. Er kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein, und ich war die ganze Zeit in ständigem Kontakt mit ihm.«
»Hey, das war doch nur ein Scherz«, sagte Konstantopolous rasch, als er den Ausdruck auf Danas Gesicht bemerkte. »Oder glauben Sie im Ernst, dass er hinter alldem steckt? Dass er jemanden steuert? Dass er Trent Bollinger lenkt?«
Dana schloss die Augen. »Ich weiß es nicht.« War sie verrückt geworden? Nichts ergab mehr einen Sinn.
Konstantopolous verzog das faltige Gesicht. »Wie dem auch sei – machen wir, dass wir hier rauskommen. Mal sehen, was Bollinger zu sagen hat. Finden wir heraus, wie viel er über die Geschichte der Serienkiller und ihre Verbrechen weiß.«
Dana streckte die Hand aus und berührte Konstantopolous’ muskulösen Unterarm. Wenigstens er glaubte offenbar nicht, dass sie den Verstand verloren hatte. Noch nicht, jedenfalls. »Danke, CK. Das habe ich jetzt wirklich gebraucht.«
Trotz des unnatürlich grünen Lichts der Armaturenbrettbeleuchtung glaubte sie zu sehen, wie der Detective errötete.
»Kein Problem, Dana. Und jetzt sehen wir zu, dass wir diesen Bollinger auseinandernehmen.«
Dana lächelte dankbar. »Das beste Angebot, das ich in dieser Woche hatte.«
50.
Trent Matthew Bollinger saß im beengten Verhörraum Nummer drei der Chicagoer Polizeizentrale mit dem Rücken zur Wand auf einem Klappstuhl und hatte die Augen geschlossen.
Er besaß die muskulöse Statur eines Bodybuilders. Weil die blutverschmierte Kleidung, in der man ihn gefunden hatte, derzeit noch untersucht wurde, trug er einen orangefarbenen Overall, den die Stadt Chicago ihm großzügigerweise ausgeliehen hatte. Der Overall spannte über Bollingers mächtiger Brust und den breiten Schultern. Es sah aus wie ein pralles Würstchen im siedenden Wasser, das jeden Moment zu platzen drohte.
Dana und Konstantopolous befanden sich hinter einem durchsichtigen Spiegel und beobachteten, wie Bollinger an einer Mentholzigarette zog. Handschellen behinderten ihn in seinen Bewegungen. Er inhalierte tief und legte den Kopf zurück, um einen langen Strom graublauen Qualms auszuatmen. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen, was Dana nicht weiter überraschte – eine Gewahrsamszelle bot nicht gerade den Viersternekomfort des Radisson Hotels.
Nicht mal den des Holiday Inn.
Übermüdet oder nicht, die unterlaufenen Augen vermochten sein atemberaubend gutes Aussehen in keiner Weise zu schmälern. Er war gut sechsundzwanzig Jahre älter als Liza Alloway, aber man hätte es ihm bei Weitem nicht angesehen.
Die langen braunen Haare waren mit den Fingern geglättet und verliehen ihm eher das Aussehen eines zu groß geratenen Jungen als das eines blutrünstigen Killers, der erst wenige Stunden zuvor drei Schwesternschülerinnen auf bestialische Weise ermordet und anschließend seiner Exfreundin sämtliche Finger der rechten Hand abgeschnitten hatte, bevor er vom Tatort geflohen war.
»Sieht gar nicht nach einem Killer aus, wenn Sie mich fragen«, sagte Konstantopolous nach ein paar Augenblicken. »Eher wie ein Zwillingsbruder von George Clooney. Liza Alloway muss eine unglaubliche Ausstrahlung besessen haben.«
»Wie kommen Sie darauf?«
Der
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