Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
log. Er war nicht gut darin. Deshalb war sie damals auch hinter seine Affäre gekommen. Irgendeinen falschen Ton hatte sie herausgehört, als er sagte, er müsse zu einer Autorenlesung, obwohl dies eigentlich nichts Außergewöhnliches war. Sie war dann selbst zu der Lesung gegangen, hatte sich auf dem Weg dorthin verachtet und inständig gehofft, dass sie sich täuschte. Aber er war nicht dort und am nächsten Morgen hatte sie Lucie gefüttert und ihn gefragt, wie denn die Lesung gewesen sei. Doch auch er hatte ein feines Gespür. Er hatte sofort gemerkt, dass sie Bescheid wusste, und hatte ihr unumwunden die Wahrheit gesagt. Tinka hatte dabei den Eindruck gehabt, dass ihn das Geständnis erleichterte, und das hatte sie, neben dem Gefühl, dass sich gerade der Boden unter ihren Füßen auflöste und ihre Welt zusammenbrach, unglaublich wütend gemacht.
Und jetzt wusste Tinka erneut, dass er log, wenn er versicherte, er würde niemanden töten. Denn er hatte es vor, das spürte sie. Aber sie kannte ihn auch gut genug, um zu wissen, dass er es nicht fertigbringen würde.
Während das Wasser heiß wurde, schaltete Tinka das Radio an und hörte in den Siebzehn-Uhr-Nachrichten von dem Fund einer Kinderleiche in einem Wald irgendwo hinter Huskvarna. Sie riss den zischenden Wasserkocher von der Platte und drehte den Ton lauter.
… dass es sich bei der Leiche um die seit dem 15. August dieses Jahres vermisste sechsjährige Valeria Bobrow aus Biskopsgården handelt, wurde noch nicht offiziell bestätigt. Die Kripo Göteborg ließ verlauten, man müsse die rechtsmedizinische Untersuchung abwarten.
Und nun zu den Nachrichten aus der Wirtschaft: Für den angeschlagenen Nordin-Konzern gibt es möglicherweise einen Investor. Zurzeit laufen Verhandlungen mit einem chinesischen Interessenten. Genauere Angaben wollte die Geschäftsleitung zum jetzigen Zeitpunkt nicht machen. Ob damit die landesweit zwölfhundert Arbeitsplätze gesichert sind, ist ebenfalls noch
Tinka schaltete das Radio aus und den Wasserkocher wieder an. Chinesen. Armer Gunnar. Das würde ihm ihr Vater nie verzeihen. Ihr Bruder habe die Globalisierung total verschlafen, hatte er neulich gewettert.
Mit klammen Händen goss sie den Tee auf. Dann holte sie ihr iPad. Die Online-Ausgaben der Tageszeitungen brachten auch nicht viel Aufschlussreiches über den Leichenfund. Es gab ein Foto von der Fundstelle, aber eigentlich sah man nur Bäume, Polizeifahrzeuge, herumstehende Menschen in Schutzanzügen und im Vordergrund ein Absperrband. Die sechsjährige Valeria Bobrow aus Biskopsgården Lucie würde am 13. Dezember sechs Jahre alt werden. Am Tag des Luciafestes, deswegen hatten sie sie Lucie genannt. Schon ein makabrer Zufall, dass das russische Mädchen etwa um denselben Zeitpunkt herum verschwunden war wie Lucie. Und dass sie ausgerechnet jetzt gefunden wurde. Wenn sie es denn war.
Irgendwo in den Tiefen ihrer Geldbörse bewahrte Tinka noch immer die Visitenkarte von Kommissar Greger Forsberg. Sie hatte sie seit jenen Tagen nach Lucies Verschwinden nie mehr benutzt und hatte Leander auch nie aufs Präsidium begleitet. Jedes Jahr dort vorzusprechen war sein Ritual, nicht ihres. Symbolische Handlungen lagen nicht in Tinkas Naturell. Die Vernunft sagte ihr, dass sie es als Erste erfahren würden, falls sich irgendetwas von Belang ergeben sollte.
Forsberg hatte Eva Röög am Telefon und erklärte ihr gerade zum dritten Mal, dass er ihr wirklich nicht mehr sagen konnte als das, was der Pressesprecher bekannt gegeben hatte.
»Wie weit, sagst du, ist die Stelle von dem Sommerhaus entfernt?«
»Knapp dreißig Kilometer. Warte doch einfach ab, was die Obduktion ergibt!«, schnauzte Forsberg. »Ich muss jetzt wieder an die Arbeit.«
»Wenn ich dir etwas anvertraue, gibst du mir dann einen kleinen Hinweis?«
Diese Schlange!
»Lass hören!«
Evas Stimme senkte sich zu einem Flüstern, offenbar wollte sie nicht, dass ihre Redaktionskollegen mitbekamen, was sie zu sagen hatte. »Ich habe Dag getroffen, in der Klinik. Er sagte, er könne mir noch nicht sagen, wonach derjenige, der die Häuser durchwühlt hat, gesucht hat.«
»Hm.«
»Und da ist noch was«, sagte sie. »Nicht Magnus Cederlund hat seinen Sohn verprügelt, sondern Marta.«
»Was?«, rief Forsberg, sodass der Kopf des Vogels, der gerade mit zwei Bechern Kaffee in der Hand zur Tür hereinkam, aufgeschreckt zur Seite ruckte.
»Und jetzt lass was hören, Greger Forsberg.«
»Das Kind hatte braunes
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