Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
wäre ›nur so ein Gefühl‹. Er konnte es aber nicht begründen. Ich glaube, er traute Cederlund einfach grundsätzlich alles Schlechte zu, weil er ihn für einen Schläger hielt.«
Das kann gut sein, dachte Eva. Ihr Vater hatte selten ein Blatt vor den Mund genommen. Allerdings hatte er auch einige Vorurteile gepflegt, und ihn von einer Meinung, die er einmal verinnerlicht hatte, abzubringen war ein schier unmögliches Unterfangen. Eva erinnerte sich noch gut an die Diskussionen mit ihm, die sie als renitenter Teenager angezettelt hatte, um ihn zu provozieren. Im Jahr nach dem Tsunami war ihr Vater gestorben, an Silvester 2005. Er hatte ein Skirennen im Fernsehen verfolgt und dabei einen Herzinfarkt erlitten. Ob vor Aufregung über das Rennen, konnte hinterher niemand sagen.
Ihre Mutter zeigte erste Anzeichen von Müdigkeit. Zeit, zu gehen.
Leif Hakeröd und Fredrika Lindblom hatten Eva vorhin überreden wollen, den Besuch bei ihrer Mutter zu verschieben und stattdessen mit zur Eröffnungsparty der Buchmesse zu kommen, doch Eva hatte erklärt: »Die Party gibt es jedes Jahr, aber ich weiß nicht, ob es meine Mutter nächstes Jahr noch gibt.«
Mittwochabend und Sonntagnachmittag. Eva wusste, dass ihre Mutter ihr Leben um diese Termine herum organisierte: dass sie sich dann mithilfe ihrer Pflegerin duschte und sich hübsch anzog oder überhaupt ankleidete. Evas Besuche waren wichtig für die Kranke, um ein Ziel zu haben, auf das man hinleben konnte während der anderen Tage. Wahrscheinlich konnte das nur jemand verstehen, der selbst einen Angehörigen hatte, der im Sterben begriffen war.
»Dann komm doch später nach«, hatte Fredrika vorgeschlagen.
Ja, im Grunde könnte sie das tun.
Letztes Jahr war sie zu der Eröffnungsparty gegangen und hatte prompt Leander Hansson getroffen. Sie hatten nur wenige Worte gewechselt, denn er war in Begleitung von Tinka da gewesen und hatte offenbar nicht gewollt, dass seine Frau etwas von der Unterhaltung mitbekam. Doch das Wiedersehen hatte Eva tagelang aus dem Gleichgewicht gebracht. Sogar geträumt hatte sie danach von ihm. Nein, auf diese pubertär anmutenden Gefühlsverwirrungen konnte sie gut verzichten. Besser, man ging solchen Gelegenheiten konsequent aus dem Weg. Vielleicht würde sie später doch noch Forsberg anrufen und mit ihm ein Bier trinken gehen. Das war ungefährlicher.
»Die Hunde sind bei der Nachbarin, die Marta Cederlund gefunden hat«, sagte Selma. Sie hatte nur ein paar Minuten gebraucht, um den Aufenthaltsort der Tiere herauszufinden. »Soll ich hinfahren und ihnen ein paar Haare ausreißen?«
»Nein«, sagte Forsberg. »Das sollen die Kollegen von der Fahndung veranlassen. Wenn das tote Mädchen wirklich Valeria Bobrow ist, dann ist unser Job hier fürs Erste erledigt.«
Das schien Selma gegen den Strich zu gehen. Sie saß mit gerunzelter Stirn da und starrte auf die drei Zeichnungen von Valeria Bobrow, die auf ihrem Schreibtisch lagen.
»Wir beide sind die Vermisstenstelle. Unsere Aufgabe ist es, vermisste Personen zu finden – tot oder lebendig. Um den Rest kümmert sich die Fahndung«, klärte Forsberg sie auf und fand noch während er redete, dass er sich anhörte wie ein Märchenonkel.
Selma sagte nichts.
»Manchmal gibt es natürlich Überschneidungen. Oder wir helfen einander aus. Wir sind ja ein Team.«
Selma sagte immer noch nichts.
»Solche Eigenmächtigkeiten wie von dir heute, das ist gar nicht gut. Jeder von uns sollte immer wissen, wo der andere gerade ist. Schon aus Gründen der Sicherheit. Das gehört zur Teamarbeit.«
»Ja«, sagte Selma. »Aber ich hatte doch heute Vormittag frei, weißt du noch?«
»Ja, ja, natürlich«, log Forsberg.
»Und als du am Montag in Cederlunds Sommerhaus warst«, begann Selma.
Forsberg bedachte sie mit einem langen, tiefen Blick.
»Ach so«, begriff Selma. »Der Jupiter und die Ochsen.«
Forsbergs Gesichtshaut rötete sich ein wenig.
»Kann es sein, dass du mich verarschst?«
»Nein«, sagte Selma. »Wenn ich nun also etwas zur Aufklärung des Mordes an Valeria beitragen möchte, muss ich dann rüber zur Fahndung?«
Das Telefon klingelte. Forsberg unterdrückte einen saftigen Fluch. »Forsberg!«
Es war die Rothaarige aus der Telefonzentrale. »Ich glaube, da möchte dich jemand sprechen«, sagte sie und stellte die Verbindung her.
»You Police?«
»Ja, Forsberg, Police.«
Eine aufgeregte Frauenstimme, kaum zu verstehen, schlechtes Englisch, mit einem sehr starken ausländischen
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