Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
Akzent. House , war alles, was Forsberg immer wieder heraushörte. Erst nach einer Weile wurde ihm klar, dass die Anruferin Frau Biriat war, die Inderin, die mit ihren zwei lebhaften Kindern über ihm wohnte.
»Du kommen«, sagte sie eindringlich. »Kommen zu Haus. Schnell!«
»Ich lass dich schlafen und geh noch ein bisschen auf die Müllhalde«, sagte Eva zu ihrer Mutter, die vergeblich versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken. In ihrem ehemaligen Kinderzimmer zog sie sich ihre Jogging-Montur an und schaute dabei hinüber zum Nachbarhaus. Ein Basketballkorb hing an der Garage. Seit Jahren wohnte eine Lehrerfamilie auf dem Grundstück, die beiden Kinder waren inzwischen Teenager.
»Ich ruf dich morgen an. Und iss die Mangos bitte selbst«, sagte Eva, als sie sich von ihrer Mutter, die in ihrem Ohrensessel eingedöst war, verabschiedete.
»Versprochen«, sagte Gudrun Röög, und Eva, schon an der Tür, drehte sich, einem Impuls gehorchend, noch einmal um und drückte ihr einen Kuss auf die kühlen Pergamentwangen. »Bis Sonntag.«
Dann ging sie zum Auto, warf die Sporttasche mit ihrer Kleidung auf den Rücksitz und fuhr los. Ganz in der Nähe lag die »Müllhalde«, wie Dansholmen von den älteren Bewohnern genannt wurde. Es war entstanden, nachdem man ein Moorgebiet mit Bauschutt und Müll aufgefüllt hatte, allerdings konnte man heute nichts mehr davon erkennen, im Gegenteil. Die Gegend dort war überaus idyllisch: Wiesen, Felsen, Meer. Zu dieser Jahreszeit war wenig los, und ihr roter Peugeot parkte als einziger Wagen auf dem Wanderparkplatz. Sie stieg aus und holte tief Atem. Herrlich, diese frische, salzige Seeluft! Nie wollte sie irgendwo leben, wo man das Meer nicht spürte.
Eva besuchte ihre Mutter gern, doch die Besuche deprimierten sie auch; ihr Leiden zu sehen, ihr unaufhaltsames Sterben. Danach hatte sie immer das dringende Bedürfnis, sich zu bewegen, sich zu verausgaben. Atmen, schwitzen, fühlen, wie die Muskeln brannten, spüren, wie ihr Körper funktionierte, spüren, dass sie lebte.
Es war kühl geworden. Gräser, ausgedörrt vom Sommer, bogen sich im Wind, flauschige Wolken zogen über den weiten Himmel. Ein blasses Licht lag über der Landschaft, und die Sonne bewegte sich in Richtung Horizont und färbte das Meer zartrosa. Drüben, zwischen den Felsen, bemerkte Eva eine geduckte Gestalt. Im Sommer waren die flachen Felsen beliebt bei Liebespärchen oder Jugendlichen, die dort Lagerfeuer entzündeten und Trinkgelage abhielten. War es ein Mann gewesen? Was machte er dort, ging von ihm Gefahr aus? Reflexartige Überlegungen einer Frau, die sich allein in einer einsamen Gegend befindet, analysierte Eva. Sie zog sich die Joggingschuhe an, die im Kofferraum lagen. Als sie damit fertig war, war niemand mehr auf den Felsen zu sehen. Wahrscheinlich hatte ein Spaziergänger mal austreten müssen und sich dafür einen ungünstigen Platz gesucht.
Sie schloss den Wagen per Knopfdruck ab und steckte den Schlüssel in die Tasche ihrer Fleecejacke und das Handy in die kleine Tasche hinten am Hosenbund und überlegte dabei, in welche Richtung sie laufen sollte. Sie entschloss sich, zuerst den Weg am Meer entlang zu nehmen, und setzte sich in Bewegung. Ihr Kreislauf kam in Schwung, ihr wurde warm. Sie würde sich einiges von der Seele laufen müssen: die Trauer über ihre sterbende Mutter und den Ärger über Stieg, mit dem sie sich heute Morgen gestritten hatte. Worum war es eigentlich gegangen? Ach ja, eine Reise nach China, die er machen wollte, weil Freunde oder Kunden davon geschwärmt hatten, und sie wollte nicht, weil sie das zu teuer fand und sich zu dem Land nicht besonders hingezogen fühlte. Am Ende war es mal wieder um Geld gegangen, aber sie wollte jetzt nicht über Geld nachdenken oder über Stiegs lässige Haltung zum Thema Schulden. Ob sie Forsberg raten sollte, sich Cederlunds gute Werke mal etwas näher anzusehen? Nein, lieber erst selbst recherchieren, beschloss sie. Morgen würde man hoffentlich genau wissen, ob die Kinderleiche im Wald Valeria war. Und vielleicht auch schon, ob Cederlund etwas damit zu tun hatte. Sie lief schneller, atmete im Rhythmus ihrer Schritte. Hätte sie sich umgedreht, hätte sie gesehen, wie sich zwischen den Felsen jemand aufrichtete und mit dem Lauf einer Waffe auf sie zielte. So aber spürte sie nur den Schmerz, als das Geschoss sie traf. Einen Knall hörte sie nicht.
Die Sportsbar lag in einer Seitenstraße zur Avenyn, es lief irgendein Fußballspiel,
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