Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
verwirrt setzte sich Leander in den Wagen und fuhr, so schnell es der dichte Feierabendverkehr zuließ, aus der Stadt hinaus. Was war da los? Als er vor einer roten Ampel in der Schlange stand, öffnete er das Handschuhfach. Die Pistole war da. Was also trieb Tinka in Dansholmen? War das eine Falle? Hatte jemand Tinka entführt und sie zu dem Anruf gezwungen, war sie deshalb so kurz angebunden gewesen? Herrgott, dieser Scheißverkehr! Warum ging es denn nicht vorwärts?
Es dämmerte bereits, als Leander in einer Staubfahne auf den Parkplatz schoss. Zuerst sah er nur einen roten Peugeot, den er nicht kannte. Er stieg aus. Wie aus dem Nichts kam Tinka über den Platz auf ihn zugelaufen. Gott sei Dank, ihr war nichts passiert!
»Du musst näher ranfahren«, sagte sie und ging auf den fremden Peugeot zu. Leander folgte ihr. Tinka öffnete die Tür und schlug die Decke zurück, die über dem Körper lag. Und dann starrte Leander auf die leblose Gestalt seiner früheren Geliebten.
»Wo ist er?« Malin Birgersson trat unaufgefordert ins Büro und lehnte sich an Forsbergs unaufgeräumten Schreibtisch.
»Keine Ahnung«, sagte Selma. »Er hat einen Anruf bekommen und ist ohne ein Wort zu sagen losgerast. Gerade noch hat er mir einen Vortrag von Jupiter und den Ochsen gehalten.«
Malin verdrehte die Augen.
»Gut, dass du da bist und ein bisschen für Struktur sorgst.«
Struktur. Was Malin wohl damit meinte?
»Ihr wart mal zusammen«, sagte Selma.
»Hat er dir das erzählt?«
»Das merkt man.«
»Echt?«
»Ist ja nicht schlimm«, sagte Selma.
»Na ja. Du kennst ihn ja jetzt auch schon ein bisschen, also kannst du dir vorstellen, dass es nicht allzu lange gut ging. Diese Sache mit Annika, das schwebt wie eine dunkle Wolke über ihm.« Malin malte mit dem Finger Kreise auf eine freie Stelle auf Forsbergs Schreibtisch.
»Was hältst du von der Sache mit den Postkarten?«, fragte Selma.
»Die Postkarten« Malin wirkte erstaunt und fragte schon wieder: »Hat er dir davon erzählt?«
»Ich hab sie gesehen«, sagte Selma. »Sieben Stück.«
»Oh«, sagte Malin und fand offenbar, dass das alles war, was man dazu sagen konnte, denn sie wechselte das Thema: »Hast du diese Camilla aus Öckerö gefunden?«
»Das hat sich erledigt.« Selma wiederholte für Malin noch einmal das, was sie schon Forsberg berichtet hatte. An der Stelle mit dem Vaterschaftstest ließ Malin erneut ein verwundertes »Oh« hören, und als Selma geendet hatte, fing sie wieder an, Kreise zu malen.
»Er brüstet sich also damit, dass er trotz des negativen Tests ein paar Jahre lang Unterhalt für das Kind bezahlt hat?«, sagte sie dann.
»Ja«, bestätigte Selma.
»Ein bisschen zu viel Edelmut, oder?«
»Was meinst du?«, fragte Selma verunsichert. Sie hatte Nordin seine altmodische, altruistische Haltung abgenommen – Kinder, die nach Hause zu ihren Müttern gehören. War sie etwa seinem Patriarchencharme auf den Leim gegangen?
»So ein Test lässt sich fälschen. Laboranten sind auch nur Menschen«, sagte Malin.
»Aber warum hat er dann freiwillig?« Selma unterbrach sich, und Malin sprach bereits ihren Gedanken aus.
»Damit Camilla Ruhe gibt und nicht nachhakt.«
»Okay, aber selbst wenn er zwanzig Jahre lang hätte zahlen müssen, das wäre für ihn doch ein Klacks gewesen«, erwiderte Selma.
»Es geht doch nicht um das bisschen Unterhalt«, sagte Malin, »sondern um Erbansprüche. Da steht eine ganze Menge mehr auf dem Spiel. Dafür lohnte es sich schon mal, in einen gefälschten Test zu investieren und die abgelegte Geliebte ein paar Jahre lang mit einem Almosen ruhigzustellen.«
Selmas Faust schlug auf die Tischplatte.
»Mist! Und ich hab ihm echt geglaubt! Oh, ich bin so saublöd!«
»Bist du nicht«, sagte Malin. »Das ist das Erfolgsgeheimnis von Leuten wie Nordin. Sie wirken ungemein seriös und überzeugend und damit wickeln sie jeden ein.«
»Aber ich bin Polizistin, das hätte mir nicht passieren dürfen.«
Malin spann den Faden weiter.
»Und selbst wenn es stimmt und er tatsächlich nicht der Vater ist, dann heißt das noch lange nicht, dass auch Camilla das akzeptiert und verinnerlicht hat. Vielleicht hat sie ihre Tochter und sich selbst gern in dem Glauben gelassen, dass ihr Vater ein bedeutender Mann wäre, und nicht ein dahergelaufener Student, aus dem vielleicht nie etwas wurde. Der Mensch ist ungemein begabt darin, Dinge auszublenden, die er nicht glauben will.«
»Du hast recht«, sagte Selma, deren Jagdfieber
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