Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
keine Live-Übertragung, und der Laden war auch ziemlich leer. Leander interessierte sich nicht für Sport, und heute schon gar nicht. Er hatte eine Cola vor sich stehen, er musste nüchtern bleiben, für den Fall, dassEbenso gut hätte er auch im Büro herumlungern können, oder wirklich zur Buchmesseparty gehen, wie er Tinka gegenüber behauptet hatte, aber es hatte ihn seltsamerweise in diese Kneipe gezogen, in der er noch nie zuvor gewesen war und in die er normalerweise nie einen Fuß setzen würde. Er wollte allein sein, allein unter Fremden, wollte nachdenken.
Warum konnte der Erpresser ihm nicht einfach sein Opfer nennen und es ihm überlassen, wie er es anstellte? Weil ich kein professioneller Killer bin, beantwortete sich Leander die Frage selbst. Ich könnte mit dem Opfer Kontakt aufnehmen. Und, fiel ihm ein, weil der Typ dann nicht weiß, für welche Zeit er sich ein Alibi besorgen muss.
Pausenlos zerbrach Leander sich den Kopf darüber, wer hinter alledem stecken könnte. Von Tinkas Annahme, dass der Kerl im Dunstkreis des Opfers zu suchen wäre, war Leander nicht restlos überzeugt, obwohl es am wahrscheinlichsten war. Vielleicht aber, spekulierte er, geht es auch um mich. Es gibt genug Leute, die mich für einen arroganten Hund halten, und möglicherweise haben sie sogar recht damit. Jemand vom Sender, der an seinem Stuhl sägte? Auch wenn dort ein lockerer Ton herrschte, so war es doch ein Haifischbecken, darüber machte er sich keine Illusionen. Aber etwas Derartiges traute er eigentlich keinem seiner Kollegen zu. Und außerhalb von SR ? Er würde in den kommenden Tagen einigen Autoren begegnen, darunter sicher auch welche, die ihn abgrundtief hassten. Ein Krimiautor vielleicht. Mit denen war er nie besonders wohlwollend umgegangen. So einer hätte womöglich genug Phantasie für dieses sadistische Spiel. Im Geist ging er die Verrisse der vergangenen ein, zwei Jahre durch. Aber es konnte ebenso gut einer sein, den er gar nicht berücksichtigt hatte. Nichtbeachtung war ja oft schlimmer als negative Kritik. Andererseits sträubte sich sein Inneres gegen die Vorstellung, dass jemand wegen einer schlechten oder nicht erfolgten Kritik eine solche Nummer abzog. Das wäre doch völlig absurd! Krank! Genauso gut konnte es jemand sein, der gar nichts gegen ihn hatte, ein Irrer, dem er lediglich als Forschungsobjekt diente.
Der Erpresser hatte sich seit gestern nicht mehr gemeldet, und auch Leander hatte ihm keine Nachricht mehr geschickt. Es war ja auch alles gesagt. Leander war angespannt. Diese Warterei machte ihn irre. Ausnahmezustand, dachte er. Er sah sich verstohlen um, aber die anderen Gäste, alles Männer, beachteten ihn nicht. Wenn ihr wüsstetWenn ihr wüsstet, dass hier einer sitzt, der bereit ist zu töten. Der in seinem Wagen eine Pistole liegen hat und nur noch auf das Kommando wartet, einen Menschen zu erschießen.
Wenn ich erst ein Mörder bin, dachte er, dann bin ich für immer erpressbar. Hält dieser Zustand dann an? Und bekommen wir dann wirklich Lucie zurück?
Es hatte ihn gewundert, dass Tinka ihn so einfach hatte gehen lassen. Unmöglich, dass sie ihn nicht durchschaute, er schaffte es ja auch sonst kaum, sie zu belügen. Aber was sagte sie ihm mit ihrem Schweigen? Leander kannte nur eine Antwort darauf: Tief im Innern wollte auch sie, dass er es tat. Für Lucie. Für uns.
Für uns. Wenn ich diesen Mord – ja, nichts anderes war das, was er vorhatte, Lucie hin oder her –, wenn ich also diesen Mord begehe, dachte Leander, dann müssen Tinka und ich für immer zusammenbleiben. Ein gemeinsames Verbrechen schweißt viel mehr zusammen als ein Eheversprechen. Wir dürften uns nie mehr trennen, selbst dann nicht, wenn wir Lucie nicht zurückbekommen. Und wenn Tinka mich eines Tages verlässt, dann müsste ich auch sie töten – sicherheitshalber. Was für ein absurdes Gedankenspiel!
Plötzlich wurde ihm warm, heiß sogar. Er hatte das Gefühl, dass sein Brustkorb immer enger wurde. Was war das? Eine Panikattacke, ein Herzanfall? Er hielt es nicht länger aus, er musste an die Luft. Als er aus der Kneipe trat, klingelte sein Mobiltelefon.
Tinka.
Er überlegte, ob er überhaupt abnehmen sollte. Aber es war ja noch nichts geschehen, er konnte ja so tun, als wäre er auf der Party.
»Ja?«, sagte er.
»Wo bist du?«
»Inder Stadt.«
»Komm mit dem Wagen nach Dansholmen, ich brauche deine Hilfe. Beeil dich.«
»Was?!«
Aufgelegt. Er rief zurück, aber sie nahm nicht ab. Völlig
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