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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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müsse er für die Prüfungen im nächsten Jahr lernen. Doch durch den
Saisoneinsatz auf Juist verdiene er genug Geld, um sich ohne Nebenjob ab dem
kommenden Oktober voll auf sein Studium konzentrieren zu können.
    Tommy sah gut aus, war ein humorvoller Gesprächspartner und
zuvorkommender Begleiter. Er bot mehrmals an, ihr ein Getränk zu spendieren.
Aber sie lehnte ab. Aus seinen Erzählungen schloss sie, dass er jeden Cent
zusammenhalten musste. Und sie wusste aus eigener Erfahrung, wie hart
Aushilfskellner ihr Geld verdienten.
    Kurz vor Mitternacht hatten weitere
Biere und Tommy ihr völlig den Kopf verdreht. Sie lehnte sich an die Schulter
ihres neuen Bekannten und fühlte eine wohlige Wärme in sich aufsteigen. Zu
ihrer Überraschung hörte sie sich fragen: »Gehen wir nachher noch zu mir?«
    »Hast du eine Briefmarkensammlung?«, scherzte er als Antwort und
nahm sie in den Arm.
    Das musste einfach eine wundervolle Nacht werden, hoffte sie.

9
    Nach seiner Rückkehr versuchte Rainer, telefonisch Elke zu
erreichen. Vergeblich. Dann fiel es ihm wieder ein. Heute war Donnerstag. Elke
traf sich vermutlich mit ihren Freundinnen. Ihr gemeinsamer Sohn Oskar blieb an
diesen Tagen bei Elkes Mutter und ließ sich verhätscheln. An solchen Abenden
kehrte Elke erst spät zurück. Eine Auszeit nehmen, nannte sie das. Nur zu gut
konnte Rainer sie verstehen. Auch er fühlte sich manchmal als Vater schlicht
überfordert, insbesondere dann, wenn Oskar genau während der Berichterstattung
in der Sportschau über die – leider zu seltenen – Siege Schalkes der Auffassung
war, es sei Zeit für seinen Vater, mit ihm zu spielen.
    Den Rest des Tages verbrachte der Anwalt damit, über das
nachzudenken, was er einen Plan nannte. Er ging am langen Sandstrand der Insel
spazieren, lauschte dem Kreischen der Möwen, sah den wagemutigen Urlaubern zu,
die bei Wassertemperaturen von unter fünfzehn Grad ihre Zehenspitzen kurz in
die Nordsee steckten und tat im Grunde nichts. Das dafür aber sehr gründlich. Schließlich wurde er nach Tagessätzen bezahlt.
    Am Abend genoss er ein exzellentes Essen im Rüdiger’s – mit dem englischen Apostroph –, dem Gourmetrestaurant des Hotels Pabst . Danach nahm er im rechten Bereich der Bar Platz,
direkt unter einem Gemälde eines streng auf ihn herabblickenden Paares,
anscheinend Ahnen der heutigen Hoteleigentümer. Hinter der Theke war der junge
Mann, der ihm den Wein zum Essen empfohlen hatte, damit beschäftigt, Gläser zu
polieren. Von einem älteren Paar abgesehen, das an einem der Tische Mensch ärgere dich nicht spielte, waren keine anderen Gäste
in der Bar.
    Rainer orderte Brandy und Espresso und beobachtete den Barkeeper bei
seiner Arbeit.
    Ein weiterer Angestellter des Hotels trat hinzu. »Ützelpü, ist noch
eine Flasche Riesling offen?«
    Der Angesprochene antwortete: »Steht in der Kühlung.«
    Rainer musste unwillkürlich grinsen. Was, zum Teufel, war Ützelpü?
Etwa ein Name?
    Der Barmann bemerkte Rainers Belustigung, als er die Bestellung vor
ihm platzierte. »Das kommt auch nicht oft vor, dass sich Gäste so wie Sie amüsieren,
wenn ich ihnen einen Brandy serviere«, meinte er.
    »Entschuldigung.« Der Anwalt fühlte sich ertappt.
    »Für was? Für gute Laune?«
    »Nein …« Er zögerte. »Als ich eben Ihren Namen hörte …«
    Der junge Mann grinste breit. »Ach so. Verstehe. Ein Spitzname.
Meine Kollegen nennen mich so. Ist nicht böse gemeint. Eigentlich heiße ich mit
Vornamen Serat. Aber so nennt mich niemand.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Ützelpü? Keine Ahnung. Vielleicht eine Anspielung auf meine
türkische Herkunft.« Er drehte sich zu seiner Arbeit um.
    Der Anwalt nippte am angewärmten Brandy und nahm einen Schluck Espresso.
Heiß und stark. Alles so, wie es sein sollte.
    »Sagen Sie, Serat«, wandte sich Rainer wieder an den Schwarzhaarigen
hinter der Theke. »Hier hat es doch in letzter Zeit häufiger gebrannt, oder?«
    Ützelpü polierte weiter mit Hingabe Gläser. »Ja, einige Male.«
    »Was erzählt man sich denn so über diese Brände?«
    »Die Leute reden viel, auch wenn sie nichts wissen. Meiner Meinung
nach war es jemand von Juist. Kein Urlauber. Vielleicht ein Saisonarbeiter.
Aber das glaube ich nicht.«
    »Warum?«
    Ützelpü stellte das Weinglas ab und beugte sich ein wenig zu Rainer
hin. »Der Brand im Bracht . Die Fachleute von der Feuerwehr
haben erzählt, dass das Feuer in dem Hotel im ersten Stock ausgebrochen ist. Es
heißt, der Täter habe einen

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