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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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sein.«
    »Sprechen Sie ruhig Deutsch«, unterbrach ihn sein Gegenüber. »Ihr
Türkisch ist ja noch holpriger als meins.«
    »Ich bin in Deutschland geboren und spreche nur selten Türkisch.
Eigentlich nur mit Verwandten«, erwiderte Cengiz und deutete eine Verbeugung
an. »Cengiz Kaya.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Deutsch ist auch meine
Muttersprache.« Der Mann streckte Cengiz die Hand zum Gruß entgegen. »Mesut Demir.
Knut Tohmeier ist nicht da. Ich habe ihn schon seit einigen Wochen nicht mehr
gesehen.«
    »Aber er wohnt doch noch hier, oder?«
    »Ja, ich glaube schon. Einmal in der Woche kommt eine Frau, die seine
Wohnung reinigt und den Hausflur putzt.«
    Cengiz entschloss sich, sein zurechtgelegtes Programm zu
modifizieren.
    »Ich habe ein Problem, bei dem Sie mir vielleicht helfen können. Es geht um die Ehre meiner Familie. Knut
Tohmeier kenne ich nur vom Hörensagen. Er hat«, Cengiz legte eine
Kunstpause ein, um das Folgende dramatischer klingen zu lassen. »Also, er hat –
wie soll ich sagen – meine Nichte zum Essen eingeladen.«
    Mesut Demir hörte interessiert
zu.
    »Natürlich hat sie die Ehre unserer Familie nicht beschmutzt«, versicherte
Cengiz weiter. »Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel. Aber ihre Eltern
haben ihr selbstverständlich jeden Kontakt zu Tohmeier verboten, solange nicht
feststeht, ob er ehrenvolle Absichten hat. Und natürlich will sich mein Bruder
selbst erst einen Eindruck von dem Mann machen.«
    Mesut Demir nickte verstehend.
    »Ich habe den Auftrag meiner Familie, Tohmeier ein wenig … in Deutschland sagt man dazu: auf den Zahn
zu fühlen.«
    »Ihre Familie handelt richtig«, versicherte Demir.
    »Nun kennt meine Nichte seine Adresse nicht – glücklicherweise, wenn
Sie verstehen, was ich meine.«
    Demir verstand.
    »Im Dortmunder Telefonbuch stehen zwei Knut Tohmeier. Und ich möchte natürlich nicht bei dem falschen Mann
vorstellig werden.«
    »Das wäre eine Kränkung«, bekräftigte Mesut Demir. »Für ihn und für
Sie.«
    »Eben. Deshalb muss ich sicher sein, dass ich es hier mit dem
richtigen Tohmeier zu tun habe. Meine Nichte hat uns zwar in groben Zügen berichtet,
wie er aussieht, aber da er nicht anwesend ist …« Cengiz zeigte auf die
geschlossene Wohnungstür. »Können Sie mir
Ihren Nachbarn beschreiben?«
    Demir lächelte. »Ich kann noch viel mehr für Sie tun. Ich habe ein
Foto von ihm. Es entstand auf einem Straßenfest hier in der Nähe. Wir haben uns
dort zufällig getroffen. Warten Sie, ich hole es schnell.«
    Cengiz musste innerlich grinsen. Obwohl Mesut Demir in Deutschland
geboren war, schien er noch nicht wie ein Deutscher zu denken. Warum sollte er
auch, nahm Cengiz sich selbst zurück. Auf jeden Fall war Demir, was die
Rollenverteilung der Geschlechter anging, noch tief in den Moralvorstellungen
seiner türkischen Sozialisation verwurzelt.
    Kurz darauf erschien der Nachbar wieder im Hausflur und drückte
Cengiz ein Bild in die Hand. »Hier. Das ist er. Der zweite von links.«
    Das Foto zeigte einen unverschämt gut aussehenden vielleicht Dreißigjährigen,
der mit einem Bierglas in der Hand inmitten einer Gruppe junger Männer und
Frauen stand und in die Kamera lächelte.
    »Das Bild ist erst wenige Tage alt. Mein Nachbar tauchte völlig
überraschend hier mit einer Frau, die bestimmt keine Türkin war, in seiner
Wohnung auf und war kurz darauf wieder verschwunden. Wenn Sie mir eine
Bemerkung gestatten«, setzte Demir hinzu. »Nichts gegen Knut Tohmeier. Aber ob
er der richtige Mann für Ihre Nichte ist … Ich möchte mich natürlich nicht
einmischen. Aber ein Ratschlag …«
    »Ist immer sehr willkommen«, vervollständigte Cengiz den Satz.
»Welchen Eindruck haben Sie denn von Ihrem Nachbarn?«
    »Eigentlich weiß ich nicht sehr viel über ihn. Er wohnte schon hier,
als ich eingezogen bin. Er arbeitete zu der Zeit bei den Stadtwerken in der
Kantine als Koch.«
    »Arbeitete?«, fragte Cengiz nach.
    »Ja. Tohmeier hat mir erzählt, dass er dort gekündigt hat. Er wollte für eine Saison auf einer Insel als
Kellner arbeiten. Er ist noch nicht lange weg. Der Lohn sei zwar geringer als
bei den Stadtwerken, meinte er, aber mit dem Trinkgeld der Gäste käme er prima
über die Runden. Mir erschien dieses Vorhaben wenig durchdacht. Aber so ist er
eben: ziemlich spontan in seinen Entscheidungen.«
    »Das erklärt, warum er sich nicht mehr bei meiner Nichte gemeldet
hat. Nicht, dass meiner Familie sein Abtauchen nicht recht

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