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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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große Auswahl.
    »Das ist meisterlich!«, lobte er. »Schon allein um Ihrer Zahnschönheit willen, Sire, müsste man sich vor Ihnen niederwerfen!«
    Ferdinando Galiani kam auf die beiden zu. Im Schlepptau führte er einen dicklichen Mann mit einem kostbaren Pelzkragen.
    »Die Truppe abgehalfterter Primadonnen beklagt den Aufgang eines neuen Sterns am Bühnenhimmel«, kommentierte er abschätzig den Tumult unter den Enzyklopädisten. »Dabei ist doch alles nur crambe decies recoeta , wie der Lateiner sagt. Sire, darf ich Ihnen Monsieur Chaim Otto Fünfgeld vorstellen? Er ist ein Mann, der nur Verstand, aber kein Herz hat.«
    »Sie schmeicheln mir«, wehrte der Vorgestellte ab und verbeugte sich. Der Adressat nahm die Geste regungslos entgegen.
    »Sie wollen sicher wissen, wie ich dazu komme, einen Ausländer ins Zentrum des französischen Geisteslebens zu bitten, noch dazu einen mit derart preußischem Namen? Nun, zum Ersten entscheidet das Madame d’Epinay eigenständig, ich berate sie nur. Zum Zweiten bin ich selbst Ausländer.«
    »Wollte ich gerade anmerken«, knurrte Leclerc de Buffon, demübel aufgestoßen war, dass Galiani ihn nicht Monsieur Ludewig vorgestellt hatte.
    »Drittens aber«, fuhr der Diplomat fort, »haben Monsieur Fünfgeld und ich unlängst über einen Satz meditiert, mit dem sich gewissenlose Kreaturen vom Glanz der britischen Krone lossagen wollen. Dabei las dieser jüdische Krämer mir – einem Manne von Bildung und Geschmack! – gehörig die Leviten.«
    »Wie lautete dieser Satz?«, fragte Leclerc de Buffon mürrisch.
    »All men are born equal«, antwortete Fünfgeld. »Er ist überall in den Straßen Londons wie in den überseeischen Kolonien zu hören. Man munkelt, dass sich in Bälde darauf Ansprüche gründen werden.«
    »Sie sind dort gewesen?«, fragte der Naturforscher.
    »Hier wie da. Meine Geschäfte führen mich weit herum.«
    »Das Entscheidende liegt im Detail«, ging Galiani dazwischen. »Hören wir den Satz ›All men are equal‹, so bedeutet er etwas anderes als der Satz ›All men are born equal‹, wie er auch in den Enzyklopädien zu finden ist. Vier Buchstaben machen den Unterschied. Das liegt auf der Hand, nicht wahr?«
    Plötzlich lief ein leichtes Zucken über Monsieur Ludewigs Gesicht. »Alle Menschen sind gleich. Alle Menschen sind gleich geboren«, wog er die Sätze fast unhörbar gegeneinander ab.
    »Ich warf meine Auslegung in den Ring, alle Menschen würden als Gleiche geboren, was meinen persönlichen Ansichten entschieden widerspricht. Aber man muss die Zitate der Gegner richtig lesen, will man sie widerlegen. Die Jesuiten halten es seit Jahrhunderten so. Monsieur Fünfgeld hingegen –«
    »Das ist eine mutwillige Interpretation im Sinne der Aufrührer«, bemerkte der Kaufmann. »Wir alle wissen, die Menschen kommen weder gleich noch als Gleiche auf die Welt. Sie werden nur auf die gleiche Weise geboren. Das ist die einzige Gleichheit, die die Natur vorgesehen hat. Jeder verlässt den Leib der Mutter durch dieselbe Öffnung. All men are born equal.«
    »Pardon, messieurs«, erhob Leclerc de Buffon seine Stimme. »Wer wie ich seinen Shakespeare liebt, muss energisch Widerspruch anmelden. Macbeth! Der blutige Usurpator wiegt sich durch einenHexenspruch in trügerischer Sicherheit: Ich trage ein bezaubertes Leben, das keinem weichen kann, der von einem Weibe geboren ward. Darauf Macduff, fünfter Akt, siebte Szene: Lass dem Teufel, dem du gedient hast, dir sagen, dass Macduff unzeitig aus seiner Mutter Leib geschnitten ward . Man kann die Welt durch eine brachiale künstliche Öffnung betreten. Auch hier findet sich keine Gleichheit.«
    »Bravo!«, applaudierte Ferdinando Galiani. »Darf ich die Herren ins Chambre séparée bitten? Für derartige Debatten scheint mir hier der falsche Ort. Geschnitten aus dem Mutterleib – meine Herren, das kann der stärkste Mann nur mit einem starken Trunk ertragen! Nebenan ist für alles gesorgt! Majestät?«
    Der Unbekannte zuckte zusammen. Aber Galiani war schon in den Nebenraum getreten.

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    78
   A24 (Höhe Bergedorf)
Freitag, 30.   Juli, 21   :   30
    »Brauchst du eine Übernachtung in Hamburg?« Kingfish sah Anna-Katharina von der Seite an. Sie antwortete nicht.
    »Hey, hey, hey! Ich bin bekennender Katholik! Ich will dir nicht an die Wäsche! Ich verspüre nur ein gewisses Verantwortungsgefühl für Kinder, die ihren Eltern weggelaufen sind.«
    Kingfish hätte eigentlich Grund gehabt, beleidigt zu

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