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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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keine Münzen ausspucken, sondern gibt nur den Zugang zu einem Firmennetzwerk frei«, erklärte Kingfish stolz. »Oder er verrät die Daten einer Kreditkarte. Mit denen kann man im Internet einkaufen. Wenn man will, beschreibt man einen Kartenrohling für Geldautomaten damit, das schaffen selbst Laien. Sieht dann so aus wie die White Plastics an der Sonnenblende.«
    Dabei ging es den Mitspielern nicht um Geld. Selten wurden mehr als ein paar Hundert Euro oder Dollar abgehoben. Wer sich wirklich als Glückspilz fühlen wollte, musste einen geheimen Zugangscode gewinnen – das war es, was Hacker liebten!
    Anna-Katharina fand, dass sie Computer bislang vielleicht doch zu eingeschränkt betrachtet hatte.
    In Altona parkte Kingfish den Humvee unweit des Bahnhofs in der Julius-Leber-Straße und brachte dann Anna-Katharina zum Zug. Am Fahrkartenautomaten erstanden beide problemlos ein Erste-Klasse-Ticket nach München, samt Aufschlag für den CityNightliner, dann ließ Kingfish das Mädchen 500 Euro aus einem freistehenden Geldautomaten ziehen. Auch das klappte auf Anhieb, wenngleich es von einer seltsamen Erscheinung begleitet wurde. Nachdem der Automat den Abhebungswunsch registriert hatte, erschien eine Frage im Display: Wohnen Sie in Rumänien?
    Kingfish zuckte mit den Schultern: »Ist ein Bug, taucht immer auf, wenn man wie du vier Nullen eingibt. Weil die Rumänen alle Nullen sind? Keine Ahnung, sag nein!«
    Anna-Katharina tippte folgsam auf Nein, und der Automat beförderte ratternd die gewünschte Summe seinen Schacht empor.
    »Geldautomaten sind besonders dumme Maschinen«, erklärte der Pole. »Wenn sie frei herumstehen, kann man sie leicht manipulieren. In den Staaten haben sie ein paar Hacker zu Slot-Machines umprogrammiert. Tippte man Schnapszahlen ein, kotzten sie all ihre Geldscheine aus.«
    »Räudig!«
    Er setzte das Mädchen noch in sein Schlafwagenabteil – Deluxe Single mit Dusche und WC  – und kehrte dann beschwingt zum postgelben Humvee zurück.
    Es war nicht besonders schwierig, ein guter Mensch zu sein, wenn man Wohltaten auf Kosten anderer verteilte. Sein Zimmer im Hotel Pazific bezahlte er natürlich aus eigener Tasche. Er war reich genug, außerdem verlangte das die Hackerethik. Zugänge, die man öffnete – ob Geldspeicher oder Datenparadiese –, sollten nie der eigenen Befriedigung dienen, sondern ausschließlich den Zielen der Bewegung: Freiheit, Offenheit, Transparenz.
    Der Datenschutz ist tot, finden Sie sich damit ab!
    Ein wirklich guter Satz, fand Kingfish. Einer für die Geschichtsbücher.

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    79
   INTERMEZZO Paris
Dienstag, 27.   Dezember 1768
    Die Räumlichkeiten in der Rue Fromenteau boten ausreichend Platz, sich zu galanten Zwecken, zum Glücksspiel oder zur Debatte zurückzuziehen. Ferdinando Galiani hatte aus den 40 Gästen jene zehn erwählt, die er für seine Ansprache als würdig erachtete.
    Seit Wochen war er von Fünfgelds Erzählungen beunruhigt.
    Dass philosophische Gedanken – abstrakte Spielereien mit den Optionen des Geistes – die Straße erreichten und dort wörtlich genommen wurden, konnte nur Unheil stiften. Wie alle Gebildeten wusste Galiani, der Satz »All men are born equal« formulierte nur einen Anspruch. Er würde nie einlösbar sein, er drückte keine Wahrheit aus. Die Menschen auf der Straße aber gerieten leicht in Wallung, wenn sie begannen, Ansprüche mit Wahrheiten zu verwechseln. Der Neapolitaner hatte die Geschichtsbücher ausgiebig genug studiert, um eine Vorstellung davon zu besitzen, was die Umschreibung von Ansprüchen zu Wahrheiten für Folgen nach sich ziehen konnte. War es nach der Luther’schen Bibelübertragung nicht erst zu Revolten, dann zum Dreißigjährigen Krieg gekommen? Und das nur, weil die Bauern den Protestantismus wörtlich genommen hatten. Wussten die Gleichheitsfreunde nicht – unter ihnen fast alle Enzyklopädisten –, wie leichtfertig sie am Status quo zündelten?
    »Messieurs«, eröffnete Ferdinando Galiani seine Rede, nachdem er alle Dienstboten aus dem Raum gescheucht hatte, »ich möchte Sie mit einigen Erwägungen konfrontieren. Ihr Königreich, also Ihr Vaterland, ist in Gefahr. Sie alle kennen mich gut genug, um zu wissen, dass ich die Gnade einer französischen Geburt nur allzu gerne gegen die Bürde meiner schandbaren südländischen Herkunft getauscht hätte. Frankreich ist die Zivilisation, die Zivilisation ist die Sonne, also ist Frankreich die Sonne der Welt – auch wenn wir Neapolitaner

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