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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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Gegenteil, ich verabscheue –«
    »Monsieur, Ihr Plan ist unfranzösisch! Er ist Ausdruck tiefster südländischer Verworfenheit! Kein Regent von Ehre wird je seinen Amtsadel mit solch jesuitischen Methoden betrügen. Ich werde dafür sorgen, dass weder Ihre Schriften noch Sie selbst jemals dem König wieder unter die Augen kommen.«
    Der Unbekannte verließ mit vor Empörung bebender Brust die Ruelle der Madame d’Epinay. Man hörte ihn im Gang laut nach einem Diener rufen, wenige Minuten später fuhr die prächtig geschmückte Berline vom Haus in der Rue Fromenteau fort.
    Galiani biss sich auf die Lippen, bis Blut kam. Sollte dies wirklich der leibhaftige Ludwig XV . gewesen sein, dann waren seine Tage in Paris gezählt. Wie ungemein dumm, dem Unbekannten seine Jugendsünde zu beichten!
    Jetzt stand ihm der Sinn nach einer ordinären Leibesübung. Doch die Epinay war nirgends zu finden.

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    84
   Muffat Airfield (Cal.)
Freitag, 30.   Juli, 12   :   30
    Die Sonne stand hoch am Himmel, als sich die beiden Fluglotsen des Muffat Airfields auf eine längere Mittagspause einstellten. Da sich die Flugbewegungen des kleinen militärischen Landeplatzes an einer Hand abzählen ließen und sich die eine zivile Landung des Tages schon vollzogen hatte, kam es einer Sensation gleich, als eine zweite Privatmaschine um 12   :   33 Uhr die Landeerlaubnis erbat. Zumal die Gulfstream G550, die 12   000 Kilometer ohne Betankung fliegen konnte, am Heck das Hoheitszeichen der russischen Föderation trug.
    »Scheiße!«, ächzte einer der Fluglotsen. »Ist das Pearl Harbour 2.0? Diesmal mit Russen? Aber warum fliegen die aus dem Osten ein und nicht nördlich über Sibirien und Alaska?!«
    Der zweite Fluglotse blieb ruhig: »Da ist vorhin ein Fax mit einer Sondererlaubnis eingelaufen.«
    »Arbeiten wir hier eigentlich noch für die Air Force, oder stellt inzwischen Toggle unsere Gehaltsschecks aus?«
    »Das kam nicht von Toggle, das kam von …« Der zweite Fluglotse strich das lappige Faxpapier glatt. Er mochte diese überholte Technologie, aber er war auch zwanzig Jahre älter als sein Kollege. »… von Myface.«
    »Die jetzt auch noch! Ich hab das Gefühl, Landesverteidigung zählt gar nichts mehr! Nur noch, was sich im Internet tut.«
    Der Ältere musterte den Jüngeren: »Hast du keinen Myface-Account?«
    Der Jüngere errötete. »Jeder hat das«, wehrte er ab. »Ist doch nicht verboten! Es gibt ein Leben nach Dienstschluss.«
    Der Ältere nickte. »So denken 600 Millionen Menschen. Wenn Myface eine Armee wäre, müssten sogar die Chinesen vor ihr kapitulieren. Schon komisch, dass wir das Internet erfunden haben, aber gar keine Konsequenzen daraus ziehen wollten.«
    »Wir Amerikaner? Aber hallo! Myface ist so amerikanisch wie die Los Angeles Lakers!«
    »Wir Militärs. Einfach so erfunden und an die Öffentlichkeit verschleudert. Das ist Pearl Harbour 2.0.«
    Wenige Kilometer Luftline davon entfernt saß Samyia Prakesh in ihrem Toggleplex-Büro und rang mit sich. Monate harter Arbeit lagen hinter ihr, und der Gedanke, dass all dies womöglich von einem Außenstehenden gesteuert worden war, machte ihr schwer zu schaffen. Noch schwerer wog jedoch der Umstand, sich aus dem Projekt Pandemie zurückziehen zu müssen. Programmierer waren wie Schriftsteller. Sie liebten ihre Materie und gierten nach Öffentlichkeit. Ein vollendetes Werk mit der Löschtaste zum Verschwinden zu bringen, brachte kaum einer übers Herz.
    Besaß Samyia Prakesh nicht alle nötigen Administratorenrechte, um die Formel zu launchen?
    Weil sie sich dennoch ein bisschen im Unrecht fühlte, präsentierte sie Toggle Democracy nicht auf der Ebene der Suchmaske, sondern versteckte es drei Ebenen tiefer. Auf der Startseite musste man den Button ›more‹ anklicken, dann im sich öffnenden Fenster einenzweiten Button ›even more‹ aktivieren, und erst wer hier noch einen Schritt weiterging, stieß auf ein Sammelsurium mehr oder minder ausgereifter Produkte, unter denen sich brandneu das Icon Tod befand.
    Ob sich überhaupt jemand dorthin verirrte?
    Wenn nicht, hatte Samyia Prakesh zumindest getan, was sie konnte. Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte sie. Es war gut, sich als Mensch in die Arme einer größeren Macht zu begeben: Gott oder die Öffentlichkeit.
    Jewgenij Jacob Fünfgeld und sein Schweizer Sekretär warteten ungeduldig auf dem Rollfeld. Normalerweise stand schon eine Limousine bereit, während die Gulfstream noch in der Luft

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