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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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am virtuellen Ort zusammentreffen. Wenn es ihnen dann nicht gelang, sie in zwei Sekunden hintereinander anzuklicken, war ihre Chance schon wieder verpufft.
    »Komm schon! Ich will’s nicht für mich haben. Du weißt, dass ich den ganzen Kram bei Wikileaks einstelle.«
    Das konnte sogar stimmen. Trotzdem nervte der Typ Kingfish einfach nur. »Okay, aber dann steigst du aus dem Spiel aus!«
    »Waaas?!«
    »Du kriegst deinen Tripelgewinn, aber ich sperre dich. Für … vier Wochen.«
    Man hörte ein seltsames Pfeifgeräusch. Es rührte wohl daher, dass der Journalist seinen Atem durch die Zahnlücke blies. »Gut, vier Wochen. Danach bin ich wieder dabei.«
    »Kriegst ’ne Mail.«
    Kingfish packte seufzend sein Notebook aus, suchte die richtigen Zugangsdaten zur russischen Investmentfirma, schickte sie dem Journalisten und markierte die Kreditkartendaten auf seiner Übersichtsliste wieder als unbenutzt. Es war eine banale American Express Gold, doch überkam Kingfish dabei eine sentimentale Anwandlung. Nach ungewöhnlich langer Geduldsprobe war sie sein erster Fangin Schloss Mellau gewesen, Südflügel, zweiter Stock, während des Toggle-Spektakels um die Buchsuche. Die Fangreuse hatte er ein paar Wochen zuvor installiert.
    Er holte einen Harzer Käse aus seiner Tasche. Ab der dritten Manipulation wurde es riskanter. Manche Hotels rochen den Braten dann, und er musste eigenes Geld einsetzen, um Zugang zu einer Suite zu erhalten. But no risk, no fun! Fünf Reklamationen bei einem Besuch waren eine Frage der Ehre. Er griff zum Hörer des Zimmertelefons.

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    83
   INTERMEZZO Paris
Dienstag, 27.   Dezember 1768
    »Sie müssen Frankreich retten«, sagte Ferdinando Galiani. »Sie und niemand anderes.«
    Er hatte Monsieur Ludewig an einem delikaten Ort ausfindig gemacht, im Ruelle , dem intimen Bereich vor der Schlafstatt der Madame d’Epinay. Beide waren sie allein.
    »Ich mache mir ernsthafte Sorgen. Gewiss, morgen oder übermorgen werden wir noch keine Aufstände erleben, aber was Kaufmann Fünfgeld von seinen Reisen erzählte, lässt wenig Gutes hoffen. Es gärt in der Welt! Und unsere wackeren Aufklärer mit ihren Enzyklopädien tragen kaum dazu bei, diesen Gärprozess zu kontrollieren. Sire, nicht Champagner wird uns am Ende erwarten, sondern Essig!«
    »Darüber habe ich nachgedacht«, erklang es aus dem Munde des Unbekannten. »Demokratie ist unmöglich.«
    Die Unerschrockenheit, mit der er das verpönte Wort aussprach, ließ Galiani zum ersten Male daran zweifeln, ob es sich bei seinem Gast wirklich um denjenigen handelte, den er hinter der dicken Schicht Gesichtspuder vermutete. Gemessen an den auf allen Märkten kursierenden Kupferstichen existierte eine Ähnlichkeit. Aber Galiani war zu unbedeutend, um jemals nahe genug an das lebende Original herangekommen zu sein. Und ob die Gerüchte stimmten,der König entfliehe seit Jahrzehnten immer wieder seinem Hofstaat, um andernorts Anregungen zu empfangen, wusste niemand mit Bestimmtheit zu sagen.
    »Demokratie ist unmöglich, weil das Oben und das Unten der göttlichen Ordnung entspricht. Sonst gäbe es keinen Himmel über uns und keine Hölle unter uns.«
    »Das ist stichhaltig«, pflichtete Galiani bei. »Aber es ist keineswegs gesagt, auf wie vielen Schultern sich das Oben und das Unten verteilen muss. Ich sehe Demokratie als ein System, in dem es Völker gibt, die insgesamt das Leben von Adeligen führen, während andere Völker dafür werden aufkommen müssen. Das göttliche Oben und Unten bleibt dabei gewahrt, in größeren Relationen freilich. Die Frage ist, ob Frankreich zu den Völkern gehört, die sich Adelsprivilegien für jedermann leisten können … oder ob alle Franzosen zu Domestiken herabsinken? Ich persönlich würde dies nicht erproben wollen.«
    »Sie glauben, uns drohen republikanische Zustände? Obwohl Demokratie unmöglich ist?«
    »Ich glaube, dass ein Staatsbankrott bevorsteht, der alle vernünftigen Voraussagen über die weitere Zukunft unwägbar macht. Ich glaube, dass die Verteilung der Steuerlasten neu geregelt werden muss und dass sich der König dazu einer Formel bedienen sollte, die mir – in untertänigster Bescheidenheit – vor fünfzehn Jahren zugefallen ist.«
    »Wie soll der König je schaffen, die Steuerlasten neu zu verteilen? Seit einem halben Jahrhundert reibt er sich daran auf, ohne einen nachhaltigen Erfolg zu haben.«
    Galiani nickte wissend. »Lassen Sie den König seine 41 Widersacher in der Grande Chambre

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