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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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bewegen, Ihnen den Job unter der Hand anzubieten. Sie unterscheiden sich, Doc.«
    Endlich hatte ein Serviermädchen sein Winken bemerkt und kam an den Tisch. Weinbergers Wunsch nach einem tiefschwarzen Espresso war für einen Amerikaner bemerkenswert. Aber er war ja auch kein typischer Vertreter seines Landes. Typisch an ihm war nur, dass er sich schnell auf veränderte Gegebenheiten einstellen konnte.
    »Okay«, sagte er. »Ich gebe Ihnen die 150   000. Zwei Drittel davon müssen Sie aber privat verbuchen, die kommen aus einem inoffiziellen Topf.«
    »Woran ist Melissa gestorben?«, fragte Holzwanger plötzlich.
    »Diabetes. Sie sind Arzt. Ist das realistisch?«
    Holzwanger nickte zögerlich. »Unter Umständen. Melissa könnte im Unterzucker kollabiert und im Forchbach unglücklich aufs Gesicht gestürzt sein. Aber ich bin Radiologe, kein Internist.«
    »Yep!«, machte Weinberger. »Sie sind Radiologe. Radiologen fehlen uns noch. Leute, die etwas durchleuchten.«
    »Wenn Sie an die Brille mit Röntgenblick denken, die es früher in Comicmagazinen gegeben hat, muss ich Sie enttäuschen. Das war Betrug.«
    »Doc, ich habe mir nur gemerkt, was Sie vorgestern erzählten. Sie sind Spezialist für Computertomografie. Ich höre da ein Wort heraus: Mustererkennung.«
    Er griff zu seinem Drehbleistift und kritzelte mit ungeahnter Virtuosität ein wirres Gebilde auf die Zeitung. »Ist das hier eine Krankheit?«
    Holzwanger wusste nicht, worauf diese Demonstration hinauslaufen sollte. Der Amerikaner schraffierte einige Flächen, andere schattierte er dunkel. Dann drehte er den Bleistift um und verschmierte mit dem Radiergummi weitere Areale.
    »Na gut«, zögerte Holzwanger. »Wenn das jetzt ein durch drei Faxgeräte gelaufenes MRT – Bild der Großhirnrinde wäre, könnte ich mit sehr viel Fantasie Symptome eines Schlaganfalls erkennen.«
    Der Amerikaner grinste fröhlich. »Das meine ich! Sie sehen Strukturen, wo andere nur Chaos wahrnehmen.«
    Er knüllte die Zeitungsseite zusammen. »War natürlich auch nur Chaos. Wo Sie überall Krankheiten vermuten, Doc! Man sollte Sie nicht als Arzt konsultieren.«
    »Auch nicht als Manager«, gab Holzwanger zurück. »Ich habe keine Ahnung von Betriebswirtschaft, verstehe nichts von Marketing und am allerwenigsten vom Anzeigengeschäft, mit dem Toggle sein Geld verdient.«
    Weinberger wischte die Einwände vom Tisch: »Alles entbehrlich! Ich benötige jemanden, der Störungen erkennt.«
    »Wie sehen diese Störungen aus?«
    »Unstimmigkeiten«, wiederholte Weinberger.

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    55
   Berlin (Moabit)
Mittwoch, 28.   Juli, 9   :   00
    Vor Anton Purgler öffnete sich Tor II der Untersuchungshaftanstalt Moabit. Ein silberner Lexus wartete mit laufendem Motor im absoluten Halteverbot. Purgler öffnete den Wagenschlag: »Sind Sie von der Hilfsorganisation rehabilitierter Unschuldiger?«
    »Gepäck?«, fragte der junge Mann hinter dem Steuer. Er konnte höchstens 22 sein. Unter den Borsten seines kurzgeschorenen blonden Haares schimmerten vereinzelte rötliche Pickel.
    »Ja«, nickte Purgler. »Fünf schwere Kisten. Lass ich mir aber mit dem uniformierten Kurierdienst liefern. Schließlich hat der sie auch hergebracht.«
    »Gut«, sagte der Jungspund, wirkte dabei aber verunsichert. Zudem zuckte in seinem Gesicht ständig ein Nerv unterhalb des rechten Augenlids.
    Purgler stieg ein. Das war mitnichten der geheimnisvolle Auftraggeber vom Mai, sondern nur ein Laufbursche.
    »Wohin?«, fragte der Jungspund.
    »Nach Hause«, antwortete Purgler.
    Sofort fuhr der Wagen in die richtige Richtung los und verstärkte Purglers schlechtes Gefühl. Bei kleinen Fischen gab man dem Rollkommando kein exaktes Briefing mit auf den Weg. Kleine Fische ließ man vor Ort zusammenschlagen und im Rinnstein versauern. Adressen ermittelte man nur bei größeren Fischen.
    »Sie sind mein Aufpasser«, stellte Purgler nüchtern fest.
    »Service«, verbesserte ihn der Jungspund.
    »Ich kann Sie also dirigieren, wohin ich will?«
    Der Jungspund zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    »Wie steht’s mit Geld?«
    »Geld ist gut.«
    »Also vorhanden. Frauen?«
    »Frauen sind auch gut.«
    Das glaub ich gerne, schoss es Purgler durch den Kopf. Aber er war nicht der Typ, den es nach sechs Wochen Knast schon in den Puff trieb. Auch vorher hatte er einen eher spärlichen Kontakt zum anderen Geschlecht gepflegt. Wenn er über seine Wünsche nachdachte, wollte er eigentlich nur sein Tai Pan wiederhaben, sein teures,

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