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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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und der Lexus schoss für ein paar Sekunden unkontrolliert über den leeren Parkplatz.
    »Hehehe!«, protestierte Purgler, während er sich mit Mühe am Armaturenbrett festhielt. »Ich wollte noch was vom Leben haben!«
    Sein Schützling sah ihn mit flackernden Pupillen an. Dann fuhr er normal weiter.

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    57
   Mellau (Nordbalkon)
Mittwoch, 28.   Juli, 9   :  
    Für einen Moment hatte Nikolaus Holzwanger den Toggle-Chefstrategen allein gelassen, um sich im Speisesaal mit Pia zu beraten. Weinberger war das ganz recht: Frauen beurteilten Weichenstellungen im Leben entschieden nüchterner als Männer.
    Der Amerikaner tauchte erneut in den Schatten seiner Zeitung ein. Als er sie sinken ließ, um nach seinem Wasserglas zu greifen, stand plötzlich Holzwangers Tochter vor ihm. Das dünne Mädchen hielt die Hände in die Seiten gestemmt und wirkte aggressiv.
    »Melissa ist tot!«
    Weinberger nickte.
    »Und mein Vater soll ihren Job übernehmen.«
    »Das ist der Lauf der Welt«, befand Weinberger melancholisch.
    »Ich finde das scheiße von Ihnen«, stieß Olga aus. »So scheiße, dass ich’s gar nicht ausdrücken kann! Wenn ich rauskriege, dass Sie sie umgebracht haben, kommen Sie auf den elektrischen Stuhl!«
    »Giftspritze«, korrigierte Weinberger sie gelassen. »Aber ich habe sie nicht umgebracht. Keiner hat sie umgebracht. Es war ein Unfall.«
    »Laber, laber!«, sagte Olga wütend. Sie wusste, dass sie sich danebenbenahm. Aber an irgendjemandem musste sie ihre Wut auslassen. »Mein Vater ist kein Verräter! Er wird niemals Melissa den Job wegnehmen.«
    »Sie ist tot.«
    »Ach ja? Und warum ist sie dann noch immer auf Myface?«
    Weinberger schüttelte den Kopf. »Digitale Profile sterben nicht mit den Menschen. Man muss sie schon aktiv löschen. Frag den Verwandten deiner Mutter, der ist Spezialist darin.«
    Die Antwort befriedigte Olga nicht. »Ich will Melissa sehen! Ich muss sicher sein, dass sie tot ist!«
    »Ich habe sie gesehen, okay? Das ist kein Anblick für dich. Mir macht das nichts aus.«
    »Logo macht Ihnen das nichts aus!«, ätzte Olga und blickte ihn voller Abscheu an. In diesem Augenblick kehrte Holzwanger stillvergnügt zurück. Als er das wutverzerrte Gesicht seiner Tochter sah, zuckte er zusammen. Weinberger grinste versöhnlich. »Die junge Dame hat interessante Theorien«, erklärte er. »Sie wird sicher mal Sprecherin von Attac.«
    Holzwanger gab seiner Tochter einen Klaps auf den Rücken und scheuchte sie davon. Olga warf noch einen bitterbösen Blick auf den Amerikaner. Aber sie sagte nichts mehr.
    »Meine Frau ist einverstanden.«
    Die beiden Männer tauschten einen Händedruck.
    »Jetzt ist aber endgültig Schluss mit deutscher Steifheit«, befand Weinberger. »Du gehörst zum Team Valley Hills!« Er verstärkte seinen Händedruck, und seine Stimme schwoll pathetisch an: »Walt!«
    »Nic«, parierte Holzwanger, peinlich berührt. Selbst nach vierzehnMonaten bei Toggle mochte er die amerikanischen Umgangsformen noch immer nicht.
    »Und jetzt kommt das Initiationsritual!«, verkündete der Ex-Offizier. »Rate mal, was ich bei der Army vor jeder neuen Mission mit meinen Männern gemacht habe? Na? Ich hab sie zum Briefing auf einen Friedhof befohlen! Die Seele des Soldaten soll sich mit dem Tod befreunden. Genau das machen wir jetzt auch. Ist nur ein paar Schritte von hier. Komm!«
    Ein Friedhof auf einem privaten Hotelgelände?
    In Mellau umfasste all inclusive offensichtlich auch die allerletzten Bedürfnisse.

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    58
   Mellau (Buchhandlung)
Mittwoch, 28.   Juli, 9   :   30
    Alexandre Ranchin schritt eilig den Gang zum Teesalon hinunter, warf einen raschen Blick in die Buchhandlung, fand nichts Beachtenswertes im Schaufenster, ging weiter, um eine Minute später doch umzukehren. »Man sagt, einer meiner Mitdiskutanten hätte einen Bestseller geschrieben«, sprach er die Buchhändlerin an.
    »Joachim Sterzel. Liegt da auf dem Tisch.«
    Ranchin nahm das Buch zur Hand. Sein Blick streifte die turmhohen Stapel von Dijkerhoff-Titeln. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Autoren können ganz schön lästig sein, non?«
    »Wem sagen Sie das«, pflichtete die Buchhändlerin bei. Dann fügte sie schuldbewusst hinzu: »Von Ihnen habe ich leider nichts im Angebot.«
    Ranchin machte eine abwehrende Handbewegung. »Meine Bücher sind nicht für den schnellen Verzehr. Meine Bücher …«
    Er konnte seinen Satz nicht vollenden, denn drei johlende Kinder eroberten den Laden. In ihrem

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