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eingescannte Buch ausgesehen oder gar geheißen hatte, wusste er nicht mehr. Er wusste allerdings, dass er gleich etwas säuisch Unangenehmes tun musste, wollte er aus der vertrackten Lage herauskommen.
Er musste sich dieses Verfolgers entledigen.
Der Jungspund begann zu sabbern. Speichel lief aus seinen Mundwinkeln heraus, tropfte auf Purglers Hände und rief dort ein irritierendes Gefühl hervor.
Ekel?
Mitleid.
Profis sabbern nicht, dachte Purgler und ließ von seinem Opfer ab. Profis haben sich im Griff.
»Spasibo«, sagte der Blonde rau und reichte Purgler die Hand. Purgler wartete darauf, dass er nun seinerseits von einem Handkantenschlag niedergestreckt würde. Doch nichts passierte.
»Was weißt du von dem Buch?«, fragte Purgler, schwer schnaufend.
»Ist alt«, keuchte der Jungspund. »Italienischer Titel. Hab ich mir aufgeschrieben, muss mir aber beim Tanken aus der Tasche gerutscht sein. Warst du nicht wegen Drogen im Knast?« Er sah ihn flehentlich an.
Dass Purgler so aus der Übung war! Dieser Junge brauchte dringend ein Präparat aus seinem Erste-Hilfe-Schrank im Badezimmer! Und er hatte es nicht gleich gemerkt.
»Na klar«, sagte Purgler und hieb ihm freundschaftlich die Pranke auf die Schultern. »Was nimmst du denn so? Rote, weiße, gelbe Kapseln? Mehr anregende oder mehr dämpfende? Oder ein Schnapsglas Ritalin mit Wodka? Ist alles vorhanden! Fahren wir zu mir.«
Der Jungspund nickte dankbar. In diesem Moment dudelte sein Handy einen Russendiskohit, und Purgler schnappte sich das Teil, bevor der eigentliche Besitzer den Ruf annehmen konnte.
»Wie steht’s?«, fragte eine Männerstimme. Trotz der schlechten Verbindungsqualität erkannte Purgler sie sofort.
»Gut«, antwortete er. »Geradezu ausgezeichnet für jemanden, der eben unschuldig aus dem Knast entlassen wurde.«
»Oh«, sagte die Männerstimme, leicht amüsiert. »Halloween im Juli. Die Leichen reden.«
Purgler musste schlucken. Das war also wirklich das Ziel der Abholaktion gewesen! Allerdings hatte der große Unbekannte bei der falschen Killeragentur gebucht. Der Jungspund vor ihm befand sich noch mitten in der Ausbildung.
Purgler beschloss, eine Frechheit zu wagen: »Fehlschluss. Die Leiche redet nicht mehr.«
Für einen Moment herrschte Stille im Telefon.
»Im Ernst?«, fragte der Mann. »Dann habe ich Sie wohl unterschätzt.«
Der Jungspund streckte flehentlich seine Hand nach dem Telefon aus. Purgler schüttelte den Kopf und simulierte einen Spritzenschuss in die Armbeuge. Seine Miene besagte: Das kannst du haben, wenn du brav bleibst! Der Jungspund schlug devot den Blick nieder. Nun zuckten unter beiden Augenlidern die Gesichtsnerven.
»Also passen Sie auf«, sagte der Mann am anderen Ende. »Ich bin nicht böse, dass Sie auf eigene Kosten kleine Geschäfte machen wollten. Sehr wohl bin ich ärgerlich, dass ich Ihnen jetzt einen größeren Deal anbieten muss. Sehr, sehr ärgerlich! Aber das lässt sich nicht ändern, und jede Debatte triebe Ihren Preis nur weiter hoch. Also lassen wir das. Wo ist das Buch?«
»Das … italienische?«
Jetzt bloß keinen Fehler machen.
»Genau. Haben Sie es bei sich?«
»Nein.«
»Müssen Sie aber!« Die Stimme des Mannes wirkte ungehalten. »Es befand sich mit Ihnen im Gefängnis, und der Staat unterschlägt nichts.«
»Richtig!« Purgler überlegte fieberhaft. »Aber er liefert auch nicht besonders schnell! Heute vielleicht.«
Das war nicht zu viel versprochen. Er befand sich ja schon in Prützke und musste nur noch das Mädchen finden. Jenes Mädchen, das ihm das Buch gestohlen hatte.
»Okay. Was wollen Sie dafür haben?«
Anton Purgler griff im Geist ganz hoch, teilte die Zahl dann durchzehn, nahm sie mal fünf, verdoppelte sie, halbierte sie wieder und landete bei einem provokanten Angebot: »Fünftausend.«
Das Schmunzeln am anderen Ende des Telefons übertrug sich nicht mit den elektromagnetischen Wellen. »Geht in Ordnung. Melden Sie sich über diesen Apparat, sobald das Objekt zum Tausch bereitsteht.«
Weg.
Purgler nickte dem Jungspund aufmunternd zu und steckte dessen Handy ein. »Brauch ich leider noch, sorry!«
Es war ein mit Funktionen überfrachtetes Proletenteil, auf dessen Miniaturtasten man kein »Ich liebe dich« ohne Tippfehler zustande brachte. Aber Proleten übermittelten ja auch keine derart komplexen Botschaften.
»Wir fahren ins Dorf«, entschied Purgler. »Deine Beruhigungspillen kriegst du später. Fahr los!«
Rollsplitt stiebte zur Seite,
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